Kreis Mettmann Psychose treibt Sohn fast zum Totschlag

Kreis Mettmann · Beim Prozess gegen einen 26-Jährigen, der seine Mutter schwer misshandelte, tun sich Abgründe auf.

Der junge Mann, der sich derzeit vor dem Wuppertaler Landgericht wegen versuchten Totschlags verantworten muss, hat im vorigen Sommer seine Mutter in Erkrath lebensgefährlich verletzt. Jetzt ist klar: Zur Tatzeit litt der 25-Jährige an einer akuten Psychose.

Wer nun glaubt, damit zwangsläufig einen verwirrten Menschen vor sich haben zu müssen, sollte sich eines Besseren belehren lassen. Nach einem halben Jahr in der Psychiatrie scheint der psychotische Schub abgeklungen zu sein und für den Sohn einer durch seine Taten traumatisierten Mutter scheint dieses Geschehen ebenso unfassbar zu sein wie für diejenigen, die nun mit allen Facetten der Tat konfrontiert werden.

"Er saß weinend vor mir und konnte nicht begreifen, was er seiner Mutter angetan hat. Er wirkte wie jemand, der gerade aus einem Albtraum aufgewacht ist", erinnerte sich gestern eine Ärztin an das psychiatrische Erstgespräch in der LVR-Klinik in Köln, in die der Beschuldigte damals eingewiesen worden war.

Neben der Frage, wie es nach der Tat und der darauf folgenden Einweisung in die Psychiatrie für den Mann weitergegangen ist, gelangten gestern auch erstmals Details zur Vergangenheit an die Öffentlichkeit. Im Zeugenstand saß ein Kölner Hausbesitzer, der sich des damals schon durchs Leben strauchelnden Täters angenommen hatte. In einem Männerwohnheim lebend, bewarb sich der 25-Jährige um ein WG-Zimmer im Haus des Kölners. "Er hat uns damals sehr offen von seinen Problemen erzählt, und das hat uns beeindruckt", erinnert sich der Vermieter an das erste Gespräch mit dem jungen Mann, der schon bald einziehen konnte.

Dort schien es dann weiter bergauf zu gehen - gleichzeitig wurden immer mehr Details aus einem schwierigen Leben bekannt. Von einer überforderten Mutter geschlagen und in noch recht jungen Jahren mit dem älteren Bruder und dem berufstätigen Vater sich selbst überlassen: In dem, was der Vermieter aus dem Leben des Täters erzählte, taten sich Abgründe auf. Dieser Vermieter war auch zum Arbeitgeber und väterlichen Begleiter geworden, der dabei half, dem Leben des jungen Mannes eine Struktur zu geben. "Wir haben uns in der WG sehr darum bemüht, dass er in ein geordnetes Fahrwasser kommt", sagt der Kölner. Sein Engagement für den 25-Jährigen wurde ihm vor Gericht jedoch nicht uneingeschränkt gedankt: Nur so lassen sich möglicherweise die latenten Vorwürfe der Beisitzenden Richterin erklären, der Zeuge habe sich zu wenig mit der Schwere und Auswirkungen der Erkrankung des Beschuldigten auseinandergesetzt. Dabei hatte es zuvor sogar noch gemeinsame Besuche bei Therapeuten gegeben, so dass sich hier die Frage stellt: Welche Verantwortung kommt jemandem zu, wenn ein nahestehender Mensch in eine psychische Krise gerät? Ist ein solches Krankheitsgeschehen für einen Laien wirklich komplett zu durchschauen? Und wie soll man jemanden zu Arztbesuchen oder ähnlichem zwingen, wenn der sich dagegen sträubt? Der Prozess wird fortgesetzt.

(RP)
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