Monheim "Salatschleudern" singen schaurig schön

Monheim · Niemand leidet so stilvoll wie "Die Salatschleudern". 13 Damen aus Monheim singen Küchen-Moritaten, bei denen es um die ganz großen Gefühle geht.

 Die Schicksale junger Frauen und andere Lebenswege besingen und illustrieren „Die Salatschleudern“ aus Monheim

Die Schicksale junger Frauen und andere Lebenswege besingen und illustrieren „Die Salatschleudern“ aus Monheim

Foto: Matzerath, Ralph

"Da musst Du als Frau die Faust in die Tasche machen!" Das hat Oma immer gesagt. Bloß nicht aufbegehren gegen zudringliche Herren, tumbe Ehemänner, verblendete Väter! So etwas tat frau nicht. Früher. Dabei verwandelte sich ihre Seele in einen Dampfkochtopf brodelnder Emotionen. Dessen einziges Ventil waren die Küchenlieder. Wenn das Weibsvolk am Herd beisammensaß, um ein Hühnchen zu rupfen oder den Salat zu putzen, dann summten und sangen sie. Dabei zerriss es je nach Temperament und Situation entweder das eigene Herz oder - zumindest in Gedanken - die Halsschlagader des in Ungnade gefallenen Galans. Genau diese Bandbreite versuchen "Die Salatschleudern" aus Monheim auf die Bühne zu bringen. Seit 18 Jahren leiden sie voller Lust und Wonne.

Und lassen leiden. Schwarze Kleider, blütenweiße Schürzen und ebensolche Spitzenhäubchen: Dass ein Bröckchen Arsen irgendwo zwischen den Textillagen versteckt sein könnte, glaubt man den 13 Damen sofort. Entschlossen schreiten sie aus dem Umkleideraum zur Bühne. Dabei werden liebevoll die Bekannten im Publikum geknufft und huldvoll gelächelt. "Vor nunmehr 18 Jahren saßen wir zu sechs Frauen bei einem Geburtstag zusammen. Damals entstand die Idee, Küchenlieder und Moritaten zu singen", erinnert sich Hildegard Weyler. Da das Damensextett der Ur-Salatschleudern in diversen Chören sang, waren die Kehlen zumindest schon mal trainiert.

Texte und Noten fanden die Monheimerinnen in uralten Liederbüchern. Ferdi Weyler zupft die Gitarre zu Moritaten und Bänkelsang. "Das ist unser Quotenmann", sagt Ehefrau Hildegard lachend und gibt jeweils streng die Tonart vor. Die wilden 13 aus der Gänseliesel-Stadt sind allesamt in den besten Jahren. Will heißen: Sie wissen, wie das Leben läuft. Vormachen lassen sie sich nichts mehr, sie durchschauen jedes Gegenüber. "Ihr Jungfern, hört die Schreckenskunde" eröffnet den Liederabend. Es geht um ein junges Mädchen, das erst verführt und dann als ungewollt werdende Mutter von allen verstoßen wird. Das Ende vom Lied ist der Freitod auf den Eisenbahnschienen; ein blutiges Finale.

"Man kann bei diesen Liedern so herrlich mitleiden", beschreibt Hildegard Weyler den Zauber der oftmals schaurig endenden Geschichten. Alle zwei Wochen treffen sich die Damen des Ensembles bei ihr im Atelier. Dann werden neue Moritaten einstudiert. Mehr als 50 gehören mittlerweile zum festen Repertoire. Und weil die Salatschleudern gerne über den eigenen Tellerrand hinausblicken, haben sie mittlerweile auch Schnulzen aus der Wirtschaftswunderzeit der 50er und 60er Jahre im Angebot. Oder singen Ende Oktober im Sojus 7 mit Jonny Glut Hymnen von der Waterkant.

"Die sind unseren Küchenliedern sehr ähnlich. Auch dabei geht es immer um die ganz großen Gefühle", sagt Hildegard Weyler und freut sich bereits wie Bolle auf den Ausflug in ein so ganz anderes, thematisch aber dann doch nahes Genre. Ihr Publikum macht das alles mit. Bei "Sabinchen, dem Frauenzimmer" und der weinend im Garten sitzenden Marie wird manchmal lauthals mitgesungen. Bei den Salatschleudern muss keine Kehle den ganzen Abend lang stumm bleiben, auch im Zuschauerraum nicht.

Wenn die Damen mit den Spitzenhäubchen bei goldenen Hochzeiten, Jubiläen oder runden Geburtstagen singen, endet das meist mit einem tiefen, zufriedenen Seufzer. Schön, dass es sowas noch gibt.

(dne)
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