Langenfeld Sammelbilder: Vor 120 Jahren fing's an

Langenfeld · Besonders Kinder sammeln emsig die von Supermärkten angebotenen Bildchen. Deren Vorvorgänger sind jetzt im Kulturellen Forum ausgestellt.

 Ausstellungsorganisator Eckart Heske mit einem Album für Sammelbilder von Palmin.

Ausstellungsorganisator Eckart Heske mit einem Album für Sammelbilder von Palmin.

Foto: Matzerath

Besonders Kinder sammeln emsig die von Supermärkten angebotenen Bildchen. Deren Vorvorgänger sind jetzt im Kulturellen Forum ausgestellt.

Würden die Ururgroßeltern heutiger Kinder noch leben, sie bekämen vor den Vitrinen im Freiherr-vom-Stein-Haus wohl glänzende Augen: Sagen- und Märchengestalten, Marineschiffe und Kleinbahn-Idylle, spielende Kätzchen und Schmetterlinge, und all das von Künstlerhänden gestaltet und in Visiten- bis Spielkartengröße gedruckt – wer zu Kaisers Zeiten Kind war, dürfte etliche dieser Motive gesehen und geliebt haben. "Schaut her, ihr Nachfahren", würden die Matrosenanzugträger und Nesthäkchen von anno dazumal schwärmen: "So wie ihr heute heiß seid auf Supermarkt-Sticker mit dem Sandmännchen, mit Goethe oder dem Brandenburger Tor, so wurden zu unserer Zeit ,Serienbilder' gesammelt."

"Alles kommt wieder", möchte man beim Betreten der beiden Ausstellungsräume im Kulturellen Forum seufzen, "wenn auch nicht unbedingt so schön, wie es mal war". Ist doch die postergroße Reproduktion einer Meerjungfrau der erste Blickfang: "Das ist Jugendstil in Reinkultur", frohlockt der stellvertretende Museumsleiter Eckart Heske. Dabei wirbt die um 1900 geschaffene Schöne lediglich für "Dr. Thompson's Seifen-Pulver".

Wie heute ging es seinerzeit um Kundenbindung: Eingeführt Ende des 19. Jahrhunderts von Warenhäusern in Paris, wurden die Sammelbilder in Deutschland vor allem durch die Firmen Liebig und Stollwerck populär. Ob Fleischextrakt oder Schokolade – bald kauften die Kunden die Produkte auch wegen der Bildchen anbei. Und weil Sammler nichts so sehr bekümmert wie Unvollständigkeit, wurden natürlich Serien aufgelegt, um den Sammeltrieb zu stimulieren. Wer in einem Schokotäfelchen das Völkerschlacht-Denkmal einheimste, der wollte gewiss auch das Deutsche Eck und die anderen "Neuen Nationaldenkmäler" sein eigen nennen; wer erst mal das züngelnde Chamäleon und das spuckende Lama besaß, den drängte es sicher nach Komplettierung dieser Tierserie vom Bratfett-Hersteller Palmin.

Die ausgestellten Kärtchen des Sammlers Detlef Lorenz, die das Museum Europäischer Kulturen (Berlin) den Langenfeldern für die Dauer der Schau zur Verfügung gestellt hat, bilden den Zeitgeist der Kaiser- und der Zwischenkriegszeit ebenso ab wie die wohl zeitlosen Interessen und Sehnsüchte von Menschen. Gesammelt wurden Nibelungen und "Eingeborene" aus Kolonien, aber auch "Pariser Volksleben" und Tiere beim Maskenball. Deutlich wird im Kulturellen Forum zugleich die Entwicklung des Sammelvergnügens hin zu einem Volkssport. Betreiben ließ er sich etwa an einem Verkaufsautomaten für "Chocolade & Confituren", wie er in der Schau ausgestellt ist: 10 Pfennig kostete das Täfelchen. Wer nur noch die Kärtchen im Sinn hatte, der griff möglicherweise zur "Illustrierten Liebigbilder-Zeitung", einer "Monatsschrift für Interessenten dieses Sammelsports", oder er suchte ein "Specialgeschäft" auf wie das von F. Dreser in Hamburg mit seinem Sortiment mit "Einzelbildern nach Fehlliste billigst". Auch Sammelalben sind in der Schau zu sehen, keine aus Pappe mit Tackerheftung wie heute, sondern gebunden, in Leinen, fast so wertvoll wie ein betagtes Foto-Album voll persönlicher Erinnerungen.

"Die Serienbilder wurden auch deshalb so populär, weil die Firmen zunehmend namhafte Künstler mit der Gestaltung beauftragten, wie Adolph von Menzel, Max Liebermann oder Otto Modersohn", unterstreicht Forumsvize Heske. Wer weiß, vielleicht kommt ja auch das wieder, vielleicht kleben wir bald Baselitz', Richters und Polkes in Sammelhefte vom Discounter.

(RP/rl)
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