Analyse So zerrinnt die Entschuldungs-Dividende

Langenfeld · Von dem einst üppigen "Sahnehäubchen" für Langenfelds Kindergärten ist nach neun Jahren kaum noch etwas übrig. Der Grund: Die Haushaltslage ist längst nicht mehr so rosig wie 2008. Die Stadt muss mehr Pflichtlasten schultern - auch im Kita-Bereich.

Im Frühling blüht die Evangelische Kindertagesstätte "Unterm Regenbogen" auf - und das ist ganz wörtlich zu nehmen. Auf dem Außengelände am Lilienthalweg gibt es einen Nutzgarten mit Obst- und Kräuterspirale, einen Zahlengarten und ein Insektenhotel. "Unsere Kinder lernen so sehr viel über Tiere und Pflanzen", sagt Kita-Leiterin Ute Schermuly. Zu verdanken hat der Kindergarten den Lehrgarten der "Qualitätsoffensive" der Stadt Langenfeld: "Ohne die Mittel aus diesem Topf wäre die Gestaltung so nicht möglich gewesen", sagt Schermuly.

Eingerichtet wurde dieser Topf im "Entschuldungsjahr" 2008. Geld, das bis dato in den Schuldendienst gesteckt wurde, fließe nun in Extras für Kindergärten und Schulen, sagte der damalige Bürgermeister Magnus Staehler (CDU) und sprach treffend von einer "Bildungsdividende" dank Schuldenfreiheit. Für vier Jahre (2008-2011) wurden insgesamt 200 Euro pro Schüler und 150 Euro pro Kita-Kind ausgelobt - in der Summe 1,35 Millionen Euro. Und die Schulen und Kitas wussten etwas mit dem Sahnehäubchen anzufangen. Ob Kunstprojekte oder Exkursionen, ob neue Spielgeräte oder Bläserklassen - vom Elementarbereich bis zur Oberstufe erfüllten sich die Einrichtungen Wünsche, für die sie und ihre Fördervereine sonst hätten Kliniken putzen müssen.

2010 indes wies der städtische Haushalt erstmals seit langem wieder ein Defizit auf (3,7 Millionen Euro). Kein "Ausrutscher", wie sich 2011, 2012 und 2014 herausstellen sollte. Deshalb wurde die Qualitätsoffensive zwar fortgesetzt, aber in deutlich schmalerem Umfang. Von 2012 bis 2014 gingen an die Schulen 125.000 Euro pro Jahr (statt zuvor 275.000 Euro), an die Kitas jährlich 25.000 Euro (statt 62.500 Euro). 2015 waren es nur noch 50.000 bzw. 10.000 Euro. In diesem Jahr ist es noch mal weniger: geplante 20.000 Euro und beschlossene 5000 Euro.

Der städtische Fachbereichsleiter Ulrich Moenen verband das Abschmelzen mit einer Abkehr vom "Gießkannenprinzip". Konnten die Einrichtungen bis 2011 über die Verwendung der Kopfpauschale weitgehend selbst entscheiden - nur "pädagogisch wertvoll" sollte es sein -, so galt nun das Antragsprinzip mit der Maßgabe "Profilbildung". Ob musisch, naturwissenschaftlich oder sportlich - die Qualitätsoffensive sollte in jeder Einrichtung eine bestimmte Stoßrichtung haben.

Bei der Kita "Unterm Regenbogen" war es der Garten - nachdem ab 2008 mehrere tausend Euro in Fortbildungen (etwa für Sprachförderung) oder die Turnhalle ( Geräte) gesteckt worden waren. Statt jährlich 1000 Euro wie 2012 bis 2014 bekommt die evangelische Kita 2016 nur noch 200 Euro. "Wir werden sie für unseren Tast- und Sinnesgarten verwenden", sagt Leiterin Schermuly.

Kämmerer Detlev Müller wirbt um Verständnis für den Rotstift bei den Extras: "Die finanzielle Lage unserer Stadt ist schwieriger geworden. Und eine ,Bildungsdividende' ist nun mal an Überschüsse gebunden. Sie aus Defiziten zu finanzieren ergibt keinen Sinn." Zudem erinnert der Kassenwart der Stadt an die steigenden Pflichtlasten im Kita-Bereich: In zehn Jahren (2005-2015) hat sich der Zuschuss hier um 3,2 Mio. auf 7,6 Mio. Euro erhöht. "Und dies setzt sich fort", unterstreicht Müller: "Der zwölfte Kindergarten ist im Bau, der dreizehnte in Planung. Jeder belastet den Haushalt unter dem Strich zusätzlich um 600.000 bis 700.000 Euro jährlich."

Die Kitas selbst sehen den Schwund der Qualitätsoffensive unterschiedlich kritisch. So sagt Kristin Erven-Hoppe von der SGL, die die Mittel seit Jahren in den Schwimmunterricht für ihre "Klettermaxe" steckt: Die nur noch 180 Euro extra änderten nichts daran, dass in der SGL-Kita jedes Kind Schwimmstunden bekomme. Dagegen bedauert Annika Wittköpp vom DRK-Familienzentrum "Glühwürmchen" (jetzt 290 Euro): "Die Qualitätsoffensive hat es uns erlaubt, externe Kursleiter wie eine Bildhauerin in die Einrichtung zu holen. Schade, dass dies jetzt nicht mehr so einfach möglich ist."

Gleichwohl sagt auch Wittköpp: "Die gute Ausstattung unserer Holzwerkstatt dank der Qualitätsoffensive - die bleibt." Ähnlich sieht es Ute Schermuly von der "Regenbogen"-Kita, die zudem die Standards in Langenfeld lobt: "Als Leiterin bin ich zu zwei Dritteln meines Zeitbudgets für Leitungsaufgaben freigestellt. Das ist im Städtevergleich beileibe nicht selbstverständlich."

(gut)
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