Frank Lorenzet "Es steht auf der Kippe, ob ich weitermache"

Langenfeld · Am Samstag startet der Westdeutsche Handballmeister Leichlinger TV gegen Aufsteiger SG Langenfeld in die neue Saison. Nach dem plötzlichen Tod von Bettina Ditz, die als "gute Seele" des Vereins galt, zog sich Trainer-Manager Frank Lorenzet im Sommer mehrere Wochen zurück. Nach seiner Rückkehr verlief die Vorbereitung holprig. Vor allem Verletzungspech macht den Leichlingern zu schaffen. Mit der RP sprach der Coach über seine Gefühlslage nach dem Tod der guten Freundin, den Saisonstart und grundsätzliche Probleme im Handballsport.

Herr Lorenzet, nach dem plötzlichen Tod von Bettina Ditz haben Sie sich zunächst zurückgezogen. Heute sprechen Sie erstmals öffentlich. Wie lange dauerte es, bis Sie mit der Situation zurechtkamen?

Lorenzet Für mich persönlich wird es nie einen Schlussstrich geben. Wir hatten ein sehr inniges und freundschaftliches Verhältnis. Sie war im Verein meine rechte Hand und hat unglaublich viel ehrenamtliche Arbeit für den LTV geleistet. Ich kannte Tina zehn Jahre lang. Wir hatten jeden Tag miteinander zu tun, ich zähle sie längst zu meiner Familie. Wenn man so jemanden verliert, ist es unglaublich schwer zu verkraften. Ich habe mich knapp sechs Wochen aus dem Geschäft rausgehalten und einige Dinge erledigt, die eben erledigt werden mussten. Wie die endgültige Lösung für mich aussieht, weiß ich aber auch heute noch nicht. Ich habe mich erst einmal dafür entschieden, weiterzumachen.

Das heißt, es stand auf der Kippe, ob Sie weitermachen?

Lorenzet Ja, definitiv. Es steht auch immer noch auf der Kippe. Ich habe eine völlig andere Sichtweise auf die Dinge und bin mir immer noch nicht sicher, ob mein Weg der richtige ist. Jeden Tag in der Öffentlichkeit zu stehen und jede Woche Ergebnisse liefern zu müssen, geht enorm an die Substanz. Ob ich mir diesen Stress weiter antun will, kann ich heute noch nicht sagen.

Gab es diese Gedanken auch schon vorher?

Lorenzet Ja, aber nicht in dem Ausmaß. Wobei das sicher viele andere Menschen auch tun - vor allem, wenn es mal nicht so läuft. Ich habe den Verantwortlichen und Spielern gegenüber offen kommuniziert, dass meine derzeitige Situation nicht gut ist, ich mich aber trotzdem vorerst entschlossen habe, weiterzumachen - allerdings nicht mehr um jeden Preis.

Inwiefern hat Ihre Auszeit im Sommer die aktuelle Vorbereitung beeinflusst, insbesondere personell?

Lorenzet Dadurch war ich sicherlich bei ein oder zwei potenziellen Neuzugängen zu spät. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Wir hatten in dieser Saison auch unheimliches Pech bei den Verpflichtungen. Zwei Verträge mit Spielern sind aus verschiedenen Gründen kurzfristig geplatzt. Mit beiden wären wir heute deutlich besser aufgestellt und auch gegen unser aktuelles Verletzungspech besser gerüstet gewesen. Dazu war quasi jeder Spieler in der Vorbereitung verletzt. Es ist wirklich erschreckend. So schlimm war es noch nie.

Zumal die Verstärkung von unten fehlt. Die Reserve des LTV spielt in der Kreisklasse.

Lorenzet Das ist leider seit Jahren ein grundsätzliches Problem bei uns, allerdings nicht nur hausgemacht. Inzwischen braucht man eigentlich keine Jugendarbeit mehr zu machen. Spätestens in der B-Jugend hauen dir deine Talente ohnehin ab. Wir haben zur neuen Saison fast unseren kompletten "goldenen Jahrgang 99/2000" verloren, weil viele Spieler zu den umliegenden Vereinen gewechselt sind und der Rest keine Lust mehr hatte. Plötzlich sind etwa acht Spieler, die das Potenzial hatten, irgendwann mal bei mir im Kader dabei zu sein, nicht mehr da. Dafür macht man dann Jugendarbeit.

Sprechen wir hier von einem Systemproblem?

Lorenzet Natürlich. Die Leute fordern eine gute Jugendarbeit, am Ende bildest du die Spieler aber nur für die großen umliegenden Vereine aus. Das ständige Streben nach Leistung und "Höher, Schneller, Weiter" ist Schwachsinn. Es würde den Rahmen sprengen, hier ins Detail zu gehen, aber diese Elitisierung in unserem Sport wird irgendwann wie ein Bumerang zurückkommen. Dazu zählen auch Dinge wie das Final-Four-System im DHB-Pokal oder die eingleisige zweite Bundesliga. Die Kluft zwischen Groß und Klein, Arm und Reich, wird immer größer. All das bekommen Vereine wie wir zu spüren. Und langfristig ergibt dieser Weg für mich keinen Sinn, denn irgendwann haben die kleinen Vereine keine Lust mehr. Dann fehlt die Basis und die ist und bleibt nach wie vor die Wurzel.

Werfen wir zum Schluss einen Blick auf die anstehende Saison. Was sind Ihre Ziele?

Lorenzet Es ist vorher immer relativ schwer, etwas zu sagen - vor allem in diesem Jahr. Die Liga ist so stark und ausgeglichen, wie sie es schon lange nicht mehr war. Wir müssen sehen, dass wir zumindest einigermaßen aus den Startlöchern kommen und uns stabil präsentieren. Ich bin froh, sobald wir 30 Punkte gesammelt haben und sicher dastehen. Alles andere ist für uns zunächst uninteressant.

MORITZ LÖHR STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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