Langenfeld/Monheim Verein holt Missbrauch aus der Tabuzone

Langenfeld/Monheim · Im Redaktionsgespräch nennt die "Sag's"-Vorsitzende Alexandra Schneider Zahlen und kündigt eine Kampagne an.

 In der RP-Redaktion erläuterte Alexandra Schneider, was der Verein "Sag's" gegen sexuelle Gewalt an Kindern tut und wie er Opfern hilft.

In der RP-Redaktion erläuterte Alexandra Schneider, was der Verein "Sag's" gegen sexuelle Gewalt an Kindern tut und wie er Opfern hilft.

Foto: RALPH MATZERATH

Die Zahlen erschrecken und sie zeigen, wie wichtig der Verein Sag's ist, der sich seit 1991 gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen engagiert: Allein im letzten Jahr seien 73 Mädchen und 16 Jungen als Missbrauchsopfer in Kontakt zu Sag's gekommen, berichtete die Vereinsvorsitzende Alexandra Schneider (55) beim Besuch in der RP-Lokalredaktion. "Zu diesen jungen Menschen in Not kommen viele weitere Ratsuchende, die uns aus dem Vorjahr erhalten bleiben. Manche wenden sich auch erst nach einiger Zeit erneut an uns, da weitere Schwierigkeiten für sie zu bewältigen sind." Ganz zu schweigen von der Dunkelziffer der noch nicht entdeckten Fälle, bei denen Mädchen und Jungen ihren Peinigern schutzlos ausgeliefert sind — oft Tätern aus der eigenen Familie oder dem Bekanntenkreis.

 Bei der Sag's-Plakataktion "Langenfeld steht auf" machen Magnus und Angelika Staehler mit. Das mit den Armen gebildete X symbolisiert die Abwehrhaltung gegenüber Tätern.

Bei der Sag's-Plakataktion "Langenfeld steht auf" machen Magnus und Angelika Staehler mit. Das mit den Armen gebildete X symbolisiert die Abwehrhaltung gegenüber Tätern.

Foto: Sag's

Hauptamtliche Psychologen, Sozial- und Heilpädagogen arbeiten in der Langenfelder Beratungs- und Informationsstelle mit den Kindern und Jugendlichen. Meist kommen die Missbrauchsopfer mit ihrer Mutter oder einer Vertrauensperson, oft auf Anraten von Kita, Schule, Arzt oder Jugendamt, manche melden sich auch selbst. Jeder Fall sei anders zu behandeln, betont die Sag's-Gründerin, je nach Alter des Betroffenen, der Schwere des Missbrauchsverdachts, der Beziehung, in der das Opfer zum möglichen Täter steht.

Froh ist die zweifache Großmutter, dass sich die finanzielle Situation für das Sag's-Team etwas verbessert hat. Die Stadt Monheim hatte im vergangenen Jahr ihren Zuschuss von 15 000 auf 40 000 Euro erhöht. Bei einem jährlichen Zuschuss von 76 000 Euro aus dem Langenfelder Stadtsäckel und 51 000 Euro vom Land ist Sag's mit einem Jahresetat von 210 000 Euro weiterhin auf Spenden angewiesen. "Gottlob gibt es einige, die uns regelmäßig unterstützen."

Als sichtbares Zeichen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen startet Sag's jetzt eine Plakataktion. "Das Thema muss endlich aus der Tabuzone", meint Alexandra Schneider. "Immer noch denken viele Menschen: ,Diese schlimmen Dinge sind von mir doch weit weg!' Wer möchte auch sein eigenes Umfeld in Frage stellen." Sag's greift auf den Plakaten ein einprägsames Symbol auf, das für die bundesweite Kampagne "Kein Raum für Missbrauch" entwickelt worden war. Ein weißes X auf blauem Grund stehe "für Sicherheit und Schutz vor Missbrauch — und die abwehrende Haltung gegenüber Tätern und Täterinnen". Auf Plakaten und Informationskärtchen sind unter dem Titel "Langenfeld steht auf" bekannte Bürger zu sehen, die mit gekreuzten Armen ein X bilden; wie Ex-Bürgermeister Magnus Staehler und Ehefrau Angelika, die Schirmherrin von Sag's ist. Möglichst im monatlichen Wechsel wird jeweils ein weiterer Langenfelder mit solch einer Fotopose seinen festen Willen bekunden, dass die Stadt ein sicherer Ort für Kinder sein muss.

Alexandra Schneider erhofft sich von der Kampagne den Effekt, dass alle Langenfelder und Monheimer auch ihr eigenes Verhalten im Umgang mit Kindern und Jugendlichen überprüfen. "Ganz wichtig ist, dass man sein Kind fragt, bevor man es anfasst. Damit zeigt man ihm, dass man es ernst nimmt und auf sein Empfinden Rücksicht nimmt. Das gilt besonders, wenn man ihm ein Kleidungsstück auszieht."

(RP)
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