Prosit 2018 ! Unser Jahrhundert Wird Volljährig Was der gedeckte Tisch im Winter bietet

Langenfeld · Ob Sparzwang oder Festmenü - Haushaltsführung vergangener Zeiten ist nicht nur ein Fall fürs Museum Abtsküche.

 Gesünder geht's nimmer: Kochkunst ist genauso erlernbar wie Vorratshaltung, wissen altehrwürdige Kochbücher.

Gesünder geht's nimmer: Kochkunst ist genauso erlernbar wie Vorratshaltung, wissen altehrwürdige Kochbücher.

Foto: Achim Blazy

Kreis Mettmann "Früher war der Alltag enger mit den Jahreszeiten verknüpft", weiß Reinhard Schneider. Besonders, wenn es darum ging, was auf den Tisch kam. Genau diesen Zusammenhängen spürt der Kustos nach mit der aktuellen Ausstellung im Museum Abtsküche in Heiligenhaus. Nicht nur Küchenfans finden darin Überraschendes.

Die unermüdliche Pfarrerstochter Henriette Davidis, 1801 geboren, warf ein Kochbuch auf den Markt, das in der ersten Auflage mit 1000 Exemplaren erschien; in der sechsten wurden schon 10.000 gedruckt, später bis zu 40.000 pro Auflage. Wer als Hausfrau auf sich hielt, hatte dieses Koch- und Beratungsbuch neben dem Herd. Immerhin beschränkte sich das Buch nicht auf den gescheiten, hygienischen und einfallsreichen Umgang mit frischen Lebensmitteln, sondern vermittelte auch das feinere Leben, etwa: "Von den Anordnungen zu einer größeren Gesellschaft". Da stand dann zum Beispiel sinngemäß, dass die kluge Hausfrau nur in den Räumen servieren möge, die sich zum Speisen eignen, und dass sie keinesfalls das Schlafgemach zum Speisezimmer umbauen möge. Für den an Festivitäten reichen Dezember wurden von offiziell kochkundigen Autorinnen seltener Kalb, Rind und Schwein empfohlen, sondern Geflügel und sonst nur noch Wild - Wildbret genannt - vom Damwild über Reh und Hirsch bis zu Wildschwein und Hase. Daneben Edelfische wie Steinbutt, Aal, Karpfen oder Lachs. Puddinge kamen nicht in Tüten daher, sondern wurden nach 30erlei kalten und 40erlei warmen Zubereitungsmethoden in die feine Schüssel gezaubert. Und wahrscheinlich nicht, indem die Hausfrau beim Herstellen mit dem Finger unter dem Rezept lang fuhr.

Vor dem Kochen wurde der geltende Küchenkalender befragt: Was wächst zur Zeit, welche Jagdzeiten sind zu beachten, was kann ich in meinem Keller oder Vorratsraum aufbewahren, ohne dass es verdirbt.

Gemüse waren hoch angesehen, gern gegessen und in mancherlei Zubereitungsart bekannt, Obst kam als Kompott, Auflauf oder Eis auf den Festtagstisch. Und als letzter Gang eines Menüs waren auch Käse, Plumpudding, Kuchen oder Torten beliebt.

Trüffel, Kaviar und Hummer fehlen nicht bei den Menü-Vorschlägen aus der Davidis'schen Zeit. Doch gibt es auch Hinweise gegen Völlerei. Dafür spricht auch die Auswahl von fettarmem Wild, reichlich Gemüse und saisonalem Obst. Über Erdbeeren im Dezember brauchte sich damals niemand Gedanken zu machen.

Das Kochbuch war jedoch nur ein Teil eines umfassenden Erziehungs- und Bildungsprogramms, das Henriette Davidis für Mädchen und Frauen konzipierte. Von der Puppenköchin über die junge unverheiratete Frau bis zur Hausfrau mit eigener Verantwortung für Haushalt und Personal boten sich ihre Titel als Lehrbücher und Nachschlagewerke an. Dahinter stand wohl die Erkenntnis, dass die Tätigkeit der Hausfrau ein eigener anspruchsvoller Beruf war, auf den die jungen Frauen des neu entstehenden Bürgertums oft nur unzureichend vorbereitet waren. Mit der eifrigen Lektüre des praktischen Buches wurde das behoben. Fehlen doch auch nicht so sinnbringende Erklärungen, dass man angebranntes Gemüse keinesfalls mit Wasser auffüllen möge, weil sich das Brenzlige dann erst recht verteilt.

(RP)
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