Ursula Maile Zeit für kleine Pausen nehmen

Langenfeld · Weihnachten ist ein Familienfest. Doch oft ist es hektisch oder es gibt Streit. Die Psychologin Ursula Maile hat Tipps.

 Ursula Maile ist Psychologin, Trainerin und Coach sowie aktiv im Ehrenamt bei den Lady Lions.

Ursula Maile ist Psychologin, Trainerin und Coach sowie aktiv im Ehrenamt bei den Lady Lions.

Foto: Ralph Matzerath

Weihnachten ist ein Familienfest. Doch oft gibt es Streit und der behindert ein gelungenes Fest. Da gibt es beispielsweise die Mutter, die sich mit ihrem Vater zerstritten hat und gleichzeitig die Enkelkinder, die Weihnachten nicht ohne ihren Opa feiern wollen. Wie löst man solche Situationen am besten?

Maile Weihnachten, das Fest der Liebe, ist für uns alle eine gute Gelegenheit, einmal unseren Groll auf andere zu überdenken. Ist die Sache wirklich noch so schlimm? Oder hat sich aus unserem Ärger über die Zeit eine Gewohnheit entwickelt? Wer hier über seinen Schatten springen kann, sollte das tun. Es ist enorm wohltuend (und gesund!), schlechte Gefühle loszulassen! Als erster Schritt hilft, sich hinzusetzen und eine Liste zu machen mit fünf guten Eigenschaften der anderen Person. Das ist anfangs gar nicht so leicht. Aber es ändert die Denkrichtung. Vielleicht lässt sich die - zunächst vertrackte - Situation zwischen der Mutter und ihrem Vater sogar zu einem Gewinn für alle Beteiligten machen. Der Wunsch der Kinder ist ein schöner Grund, den ersten Schritt zu tun und eine Einladung auszusprechen. Es muss ja nicht der Heiligabend sein, aber die Mutter könnte zum Kaffeebesuch am ersten Weihnachtstag einladen. Bei wirklich großen Unstimmigkeiten sollte die Einladung jedoch mit einer vorherigen klärenden Aussprache verbunden werden - damit der Konflikt nicht unterm Tannenbaum eskaliert.

Nach dem Motto "Der größte Feind eines guten Plans ist der Traum von einem perfekten", scheitert das Weihnachtsfest oft an zu hohen Ansprüchen und dem daraus resultierenden Stress. Was raten Sie?

Maile Perfekt zu funktionieren ist für viele eine Gewohnheit, die sie nicht in Frage stellen. "Mach es hundertprozentig! Mindestens!", flüstert uns eine innere Stimme zu. Jedoch dürfen wir uns bewusst entscheiden, nicht auf diese Stimme zu hören. Wir müssen auch nicht alle Erwartungen von außen erfüllen, sondern haben die Wahl: Muss es tatsächlich an Weihnachten den großen Braten geben? Dazu selbstgemachte Klöße? Einen riesigen Tannenbaum? Deko an jedem Fenster? Perfekt verpackte Geschenke? Es liegt an uns, Gewohnheiten infrage zu stellen und es dieses Jahr einfach mal anders zu tun. Am besten spricht man mit den am Fest beteiligten Familienmitgliedern oder Freunden und entscheidet gemeinsam: Was ist uns wirklich wichtig? Wofür wollen wir uns Zeit nehmen? Und auf was wollen wir verzichten, um Stress zu reduzieren?

Wie viel Stress ist in der besinnlichen Zeit nötig?

Maile Stress ist kein Problem - wenn man ihn nicht dauerhaft hat. Ideal ist der bewusste Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung, und zwar mehrmals täglich. Wir Menschen können Belastung kurzfristig gut aushalten. Zum Problem wird es dann, wenn wir nur rauf- aber nicht mehr runterschalten. Für die Weihnachtszeit heißt das: Egal wie stressig die Vorbereitungen sind, eine Fünf-Minuten-Pause sollte drin sein, und zwar mindestens drei mal täglich! Jeweils fünf Minuten, um aus dem Alltagsstress auszusteigen, durchzuatmen, eine Tasse Tee zu trinken, wieder bei sich anzukommen. Die Außenwelt darf sich derweil ohne uns weiterdrehen. Über die Weihnachtstage dürfen diese Pausen auch länger sein. Es gibt sogar Handy-Apps, die daran erinnern, mal wieder eine Pause zu machen, falls wir es denn selbst vergessen.Und die Geschenke. Oft ist das falsche Präsent der Auslöser für einen Streit. Wie zum Beispiel Geschenke mit einem Appell-Effekt an den Empfänger, wie etwa eine Körperfettwaage.

Wie sollte das passende Geschenk sein?

Maile Selbstlos! Ein Geschenk ist eine gute Gelegenheit, hinzuhören und sich Gedanken über den zu Beschenkenden und seine Vorlieben zu machen. Worüber würde sich der andere wirklich freuen? Idealerweise beginnt man mit dem Hinhören 364 Tage vor dem Weihnachtsfest. Am liebsten verschenke ich persönlich Zeit - für einen Ausflug, ein Abendessen, ein kulturelles Highlight. Viele Menschen freuen sich auch über eine gute Tat, zum Beispiel ein Jahreslos der "Aktion Mensch" oder einen Gutschein für www."http://kiva.org/" . Mit diesem Gutschein beteiligt man sich an einem Mikrokredit für Menschen in der dritten Welt. Das Projekt kann man sich selbst aussuchen, auch die Höhe der Beteiligung. Nach der Rückzahlung des Kredits kann man seinen Anteil wieder neu verleihen.

Muss man überhaupt schenken?

Maile Wer kleine Kinder hat, möchte sicher auf die Freude des Schenkens nicht verzichten. Unsere Töchter sind längst erwachsen, und trotzdem suche ich gerne ein Geschenk für sie aus, ebenso für meinen Mann. Wir überlegen jedes Jahr erneut, ob wir es nicht zukünftig lassen wollen. Bisher ist es dazu nicht gekommen. Das Schenken und Beschenktwerden ist für uns ein Teil von Weihnachten. Allerdings reduzieren wir die Anzahl der Familien-Geschenke und auch den materiellen Wert bewusst. Lieber beteiligen wir uns an Aktionen, bei denen Weihnachtsgeschenke für Kinder gespendet werden. Für diejenigen, die sich nicht entschließen können, die Geschenke komplett wegzulassen, ist das vielleicht auch eine Möglichkeit.

Was ist für Sie die weihnachtliche Botschaft?

Maile Als Kind hat mich die Vorstellung des Sterns von Bethlehem fasziniert, der mit seinem Leuchten den drei Weisen den Weg zum Stall gezeigt hat. Und dann versammelten sich alle, egal ob Mensch oder Tier, friedlich um das Jesuskind. So empfinde ich es noch heute: Weihnachten ist eine besinnliche Zeit der Ruhe, Liebe und Freundlichkeit im Kreise der Familie und Freunde. Das Weihnachtsfest schenkt uns Hoffnung und Freude. Und wir sind dankbar für das, was wir haben und erleben dürfen.

Und: Wie feiern Sie?

Maile Wir feiern ganz traditionell mit der gesamten Familie samt Großeltern, Bruder und Schwägerin bei uns zuhause. Wer mag, geht um 22 Uhr in die Christmette in St. Josef. Danach sitzen wir noch beisammen, erzählen und essen den Kuchen, den meine Schwiegermutter mitbringt. Beim Essen haben wir insgesamt "abgespeckt": Am Heiligen Abend gibt es einen Sauerbraten, aber am ersten Weihnachtstag nur noch kalte Küche. Den Baum schmücken wir schon eine Woche vorher, damit wir länger etwas davon haben. Unsere jüngere Tochter kann dieses Jahr nicht dabei sein, deshalb fahren wir am zweiten Weihnachtstag zu ihr in die Schweiz und feiern dort auch noch einmal.

THEOPHIL LAPPE STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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