Leichlingen Herz und Seele zusammen behandeln

Leichlingen · Es reicht oft nicht, einen Herzinfarkt alleine zu behandeln, hat man in der Klinik Roderbirken festgestellt.

 Das Foto zeigt Wolfgang Mayer-Berger (l.) und Peter Thönes von der Klinik Roderbirken mit einem Herz-Modell.

Das Foto zeigt Wolfgang Mayer-Berger (l.) und Peter Thönes von der Klinik Roderbirken mit einem Herz-Modell.

Foto: Uwe Miserius

Dank der modernen Medizin überleben mehr Menschen als früher einen Herzinfarkt. Ärzte stellen jedoch fest, dass der Fortschritt seinen Preis hat: Die neuen Techniken führen bei einem Teil der Patienten dazu, dass ihr Herz zwar wieder gesund wird, dafür aber ihre Seele erkrankt. Diese sogenannten psychokardiologischen Erkrankungen sind ein eigenes Forschungsfeld, an dem sich auch die Klinik Roderbirken mit Studien beteiligt. Die jüngsten werden gerade ausgewertet.

"Wiederbelebt zu werden, längere Zeit auf der Intensivstation zu liegen und möglicherweise zu erleben, dass Mitpatienten sterben, sind traumatische Erfahrungen", sagt Dr. Wolfgang Mayer-Berger, der Ärztliche Direktor. Hinzu komme eine längere Schmerzphase. "Früher wurde abgewartet, bis der Patient schmerzfrei ist. Dann erst erfolgten Diagnose und eventuell ein Eingriff." Heute werde so schnell wie möglich das betroffene Gefäß mittels Katheter wieder freigemacht. "Die Gesundheitsprognose für den Patienten wird dadurch besser", berichtet Mayer-Berger. "Das heißt aber nicht, dass der Patient es als besser erlebt."

In der Leichlinger Reha-Klinik achte man deshalb bei den neu anreisenden Patienten (die Klinik hat 240 Betten) darauf, ob sie möglicherweise eine stärkere psychologische Betreuung brauchen. "Viele Herzerkrankte sind verunsichert und ängstlich. Manche fangen an, in sich hineinzuhorchen", sagt Mayer-Berger. Bis zu einem gewissen Maße sei dies auch verständlich und unbedenklich. Allerdings könne das bei zehn bis 15 Prozent der Erkrankten - in Roderbirken seien dies regelmäßig etwa 20 bis 30 Personen - kippen und zu Depressionen oder Isolation führen, "selbst wenn sie vorher gesund waren und ein gutes Sozialleben hatten". Hier seien Hinweise von Angehörigen hilfreich, ob sich ein Erkrankter in seiner Persönlichkeit verändert habe. In diesen Fällen gelte es, frühzeitig gegenzusteuern, damit sich die seelische Verstimmung nicht zu einer chronischen Erkrankung ausweite.

"Wir bieten je nach Bedarf Einzel- oder Gruppensitzungen an", berichtet Diplom-Psychologe Peter Thönes, Leiter der psychologischen Abteilung. "Dabei geht um Stressbewältigung, Krankheitsverarbeitung, die Bewältigung der Nahtod-Erfahrung und bei Rauchern um Entwöhnung."

Denn Rauchen sei neben Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck und der Einnahme der Anti-Baby-Pille ein Hauptauslöser für Arterienverkalkung der häufigste Grund für einen Herzinfarkt. Außerdem laufen in Roderbirken Studien zur gezielten Nachbetreuung von Herzpatienten mit hohem Blutdruck und solchen mit hohem psychologischen Beratungsbedarf. "Sie haben 2012/2013 begonnen und laufen jetzt aus", berichtet Mayer-Berger.

Es gibt aber auch viele praktische Tipps. Denn die Patienten in Roderbirken sind in der Regel zwischen 45 und 60 Jahre alt.

"Viele standen bis zu ihrem Herzinfarkt voll im Berufsleben und haben sich um die Gesundheit keine großen Gedanken gemacht", sagt der Ärztliche Direktor. Nun könnten auch existenzielle Sorgen drücken. "Zum Beispiel, wenn jemand hohe Schulden hat und durch die Herzerkrankung eine Arbeitslosigkeit droht." Hier gebe der soziale Dienst der Klinik Hilfestellungen, verweise an die Schuldnerberatung oder überlege mit dem Betroffenen, ob eine Umschulung in Frage komme.

Auch mögliche Eheprobleme durch die Erkrankung würden angesprochen. "Wenn zum Beispiel der Mann durch die Erkrankung vom dominanten Part in der Beziehung zu einer hilflosen Person wird." Eine Gemeinsamkeit hat Mayer-Berger bei der großen Mehrzahl der Herzpatienten festgestellt: "Sie sind sehr viel ungeduldiger als andere Erkrankte", sagt er. "Bei einer Bauch-OP weiß man, dass die Heilung ein paar Wochen dauern kann. Nach einer Herz-OP erwarten viele sofortige Heilung. Dabei ist dann langsamer Aufbau nötig."

(sug)
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