Leichlingen Kopfhörerpflicht für 85-jährige Mieterin

Leichlingen · In der Räumungsklage gegen eine 85-jährige schwerhörige Leichlingerin ist gestern vor Gericht ein Kompromiss geschlossen worden. Die Frau muss Kopfhörer beim Fernsehschauen und Radiohören tragen. Das ist aber nur ein Test.

 Im Saal 1 des Opladener Amtsgerichtes wurde gestern ein Kompromiss im Streit um eine Räumungsklage gegen eine 85-jährige schwerhörige Leichlingerin gefunden. Mitmieter waren als Zeugen geladen.

Im Saal 1 des Opladener Amtsgerichtes wurde gestern ein Kompromiss im Streit um eine Räumungsklage gegen eine 85-jährige schwerhörige Leichlingerin gefunden. Mitmieter waren als Zeugen geladen.

Foto: Uwe Miserius

Der Streit um eine Räumungsklage gegen die schwerhörige 85-jährige Leichlingerin Anita Hentschel hätte eigentlich gar nicht vor Gericht enden müssen. Denn das Ergebnis der Verhandlung gestern vor dem Amtsgericht Opladen hatte RP-Leserin Renate Sayin schon vorausgeahnt: "Warum schafft sich die alte Dame keine Kopfhörer an? Dann würde sie die Nachbarn durch ihr lautes Fernsehschauen und Radiohören doch nicht mehr stören?", hatte sich Renate Sayin gefragt. Und genau das fragte gestern auch der Richter. Auf die Antwort einigten sich nach relativ kurzer Erörterung des Falles dann alle streitenden Parteien: Das Verfahren um die Räumungsklage wird ausgesetzt, und Frau Hentschel trägt jetzt Kopfhörer, wenn sie Radio hört und den Fernseher laufen lässt.

Vermieter Horst Wübbe hatte, wie berichtet, der 85-jährigen Anita Hentschel eine Räumungsklage zukommen lassen. Massiv hätten sich mehrere Mitmieter in dem Haus über Lärmstörungen aus der Wohnung der Frau beschwert und damit gedroht, ihrerseits zu kündigen. Er selbst wolle Frau Hentschel als Mieterin eigentlich behalten und habe Verständnis für ihre Schwerhörigkeit, betonte Wübbe gestern vor Gericht. Die Mitmieter setzten ihn aber unter Druck. Davon war dann gestern sehr schnell nicht mehr viel übrig. Bereitwillig stimmten die beiden Hauptbeschwerdeführerinnen der "Kopfhörer-Lösung" zu. Allerdings forderten sie eine Frist: ".... damit die passenden Kopfhörer nicht erst Weihnachten gefunden werden", sagte eine der beiden Lämbetroffenen. Der Richter verfügte, dass sich die 85-Jährige binnen einer Woche Kopfhörer anschaffen und natürlich auch beim Fernsehschauen und Radiohörer nun immer benutzen muss. Auch möge sie ihre Hörgeräte von einem Fachmann überprüfen lassen, riet er ihr. In der Aufregung vor dem gestrigen Gerichtstermin hatte sie übrigens ihr Hörgerät zu Hause liegen lassen.

So bekam der Richter auch gleich einen guten Eindruck, wie schwerhörig die 85-Jährige tatsächlich ist. Sie konnte seine Worte nur verstehen, wenn sie sich unmittelbar vor dem Richtertisch aufstellte. Wenn Frau Hentschel nun "brav" ihre Kopfhörer trägt und sich die Nachbarn nicht mehr durch Lärm aus ihrer Wohnung gestört fühlen, dann müssen sich die Parteien nicht mehr vor Gericht wiedersehen. Wenn die "Kopfhörer-Lösung" nicht funktioniert, dann kann der Vermieter, das ausgesetzte Räumungsklage-Verfahren wieder aufnehmen lassen. Aber Anita Hentschel hat ihrerseits genauso die Möglichkeit ihren Einspruch gegen die Räumungsklage wieder geltend zu machen. Denn ungeklärt blieb die Frage, ob es nicht vielmehr die Nachbarn sind, die Anita Hentschel immer wieder die Nachtruhe rauben, weil sie so viel Lärm machen: Das behauptet die Gegenseite. Der Richter hatte darauf hingewiesen, dass sich eine Beweisführung in diesem Fall sehr schwierig gestalten würde.

(RP)
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