Leichlingen/Rhein-Berg Russland-Krise gefährdet die Bauern im Kreis

Leichlingen/Rhein-Berg · Auf 28 Cent ist der Preis für den Liter Milch inzwischen gesunken. Kreislandwirt Lothar Stinn warnt vor Insolvenzen

Ein größeres Höfesterben in der Milchviehwirtschaft ist inzwischen auch im Rheinisch-Bergischen Kreis nicht mehr ausgeschlossen. Schuld daran sind nach Aussage von Kreislandwirt Lothar Stinn zurzeit vor allem zwei Faktoren: China konsumiert längst nicht mehr so viel Milch aus Europa wie ursprünglich erwartet. Hinzu kommt das Problem Russland: Moskau will mit einem Importstopp auf Milch, Fleisch und andere Produkte den Westen wegen dessen Sanktionen in der Ukraine-Krise ärgern.

Beide Faktoren schlagen demnach voll auf die Preisgestaltung durch. Auf 28 Cent ist der Preis für den Liter Milch inzwischen gesunken. "Wenn wir mal vergleichen: 1983 lag er bei 64 Pfennig", erinnert Stinn: "Das heißt also - 32 Jahre später liegen wir mit dem Preis sogar unter der Marke von damals, und das bei ständig steigenden Kosten für Strom, Futter, Sprit und anderes."

Es gehe für viele Milchbauern inzwischen um die Existenz, berichtet der Kreislandwirt. Eine Lösung des Problems sei nicht in Sicht. Die Bauern sagen, dass sie mindestens 40 Cent benötigen, um kostendeckend zu arbeiten. Sie hoffen jetzt auf Unterstützung durch die Politik, damit sie wenigstens ihre Produktionskosten decken können. Unterdessen ist die Getreideernte in vollem Gang. "Die Gerste ist bereits eingebracht, andere Sorten, wie der Weizen, folgen jetzt", sagt Ursula Jandel, Geschäftsführerin bei der Landwirtschaftskammer Rheinland. Für eine Bilanz sei es zwar noch deutlich zu früh, aber immerhin könne man sagen, "dass die Sorge über zu trockenes Wetter sich in den vergangenen Wochen zum Glück wieder etwas abgeschwächt hat".

Allerdings hat die Trockenheit Spuren hinterlassen, wie Lothar Stinn berichtet: "Den ersten der insgesamt vier Grasschnitte in diesem Jahr konnte man komplett vergessen." Jandel bestätigt, die Ausfälle dort hätten im Kammerbereich bei etwa 50 Prozent gelegen.

Doch jetzt scheint es so, als sollten die Landwirte noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen sein.

Immer mehr setzen bei der Ernte übrigens auf moderne Satellitentechnik: Mit Internet und Datenbanken vollziehen auch die Bauern die digitale Wende.

Wettervorhersage aufs Handy, Börsenpreise für Getreide prüfen oder E-Mails lesen ist längst Standard. Doch auch auf dem Traktor schalten immer mehr Landwirte auf GPS um, Satellitendaten führen die Maschine zentimetergenau über den Acker.

Schon jetzt können in einigen Gegenden Feldmaße und Düngerverbrauch datenmäßig miteinander kombiniert werden. Ackermaschinen schicken die Informationen untereinander hin- und her. Das Ziel ist klar: höhere Erträge, geringerer Verbrauch.

Nur eines, das wissen sowohl Funktionärin Jandel als auch Kreislandwirt Stinn ganz genau, lässt sich nicht digital beeinflussen: "Wie das Wetter wird, macht nach wie vor einen Großteil des Ernteertrags aus." Und das bleibt eben oft unberechenbar.

(RP)
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