Prof. Rudolf Egg Täter sollen spüren, was sie angerichtet haben

Leverkusen · Der Kriminalpsychologe beleuchtet die Messerattacke auf einen Leichlinger (51) - und warnt vor falschem Mitleid mit den Tätern.

 Der Kriminalpsychologe Rudolf Egg war von 1997 bis 2014 Direktor der Kriminologischen Zentralstelle des Bundes und der Länder.

Der Kriminalpsychologe Rudolf Egg war von 1997 bis 2014 Direktor der Kriminologischen Zentralstelle des Bundes und der Länder.

Foto: Zentralstelle

Der Messerangriff auf einen 51-jährigen Familienvater hat viele Leichlinger schockiert: Der Mann war vergangene Woche beim Versuch, einen Streit seines Sohnes zu schlichten, von zwei 19-Jährigen lebensgefährlich verletzt worden. Jetzt gibt es Leute, die sagen, früher habe es diese Brutalität, auf einen wehrlosen Menschen einzustechen, nicht so häufig gegeben. Können Sie das bestätigen?

Egg Nein, diese Aussage ist durch keine wissenschaftliche Studie oder Statistik belegt - so menschlich nachvollziehbar sie aus der Empörung über solch eine Tat heraus auch sein mag. Wir stellen zurzeit sogar eher einen Rückgang der Gewaltverbrechen fest.

Was lässt sich über die Täter sagen, die der Staatsanwalt inzwischen als "polizeibekannt" bezeichnet hat?

Egg Ohne den konkreten Fall zu kennen - diese Tatsache wundert mich nicht. Solch ein brutaler Messerangriff ist in der Regel kein Einstiegsdelikt. Wer so handelt, steckt meist schon tiefer im kriminellen Milieu. Die Vorgeschichte ist fast immer gleich: aufgewachsen in einer familiären Umgebung ohne Vertrauen, daraus resultierend auch kein Vertrauen in sich selbst - und dann findet man in einer Bande gemeinsam mit anderen jungen Leuten Befriedigung und Anerkennung durch Straftaten. Zunächst sind das kleinere Delikte wie der Einbruch in ein Gartenhäuschen. Nur: Irgendwann erwischt einen die Polizei - und die "kriminelle Karriere" beginnt.

Welche Rolle spielt die Verfügbarkeit von Waffen?

Egg Messer - insbesondere die so genannten Butterfly-Messer - gelten unter jungen Leuten als Symbol der Stärke. Allerdings erhöht der Besitz eines solchen Messers natürlich die Gefahr, es im Konflikt auch einzusetzen. Wir reden hier ja nicht über Schweizermesser mit Schere und Korkenzieher. Ein Butterfly ist eine richtige Waffe, die jederzeit auch gegen einen selbst gerichtet werden kann. Insofern sind Eltern, die von ihren Kindern beispielsweise um ein Messer als Geburtstagsgeschenk gebeten werden, gut beraten, den Wunsch sehr wohl ernst zu nehmen, ihn aber in harmlosere Bahnen zu lenken. Ein kategorisches "Nein, kommt nicht in Frage" hilft erfahrungsgemäß nicht.

Was sollte jetzt mit den Leichlinger Angreifern passieren, denen versuchter Totschlag zur Last gelegt wird?

Egg Sie sollen zunächst einmal durchaus spüren, was sie angerichtet haben. Es ist sicher keine Überraschung, wenn sie vor Gericht nicht mit Bewährung davonkommen, sondern ins Gefängnis müssen. Dabei muss man ihnen dann auch deutlich machen, dass sie eben nicht einsitzen, weil sie eine schwere Kindheit hatten, sondern weil sie eine Straftat begangen haben. Ich halte allerdings nichts davon, die jungen Leute lediglich "wegzusperren". Ihnen muss vielmehr auch die Chance gegeben werden, wieder auf den richtigen Weg zurückzufinden. Und ja, ich weiß: Die Zahl derer, denen die Rückkehr in ein normales, straffreies Leben gelingt, ist nicht sehr hoch - aber jeder Einzelne, der es schafft, ist der Mühe wert.

Sollten sich die Täter bei ihrem Opfer persönlich entschuldigen?

Egg Das Gesetz lässt den so genannten Täter-Opfer-Ausgleich zu, bei dem die Tat mit Hilfe eines neutralen Vermittlers aufgearbeitet, durch Wiedergutmachung begleitet und der Konflikt schließlich befriedet werden soll. Das halte ich grundsätzlich für eine gute Idee - ist angesichts der Schwere der Messerattacke und des Leids des Opfers zurzeit aber sicher nicht angeraten.

PETER CLEMENT STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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