Leverkusen 126 junge Flüchtlinge kamen ohne Eltern

Leverkusen · Das Jugendamt ist verpflichtet, sich um minderjährige Asylbewerber zu kümmern, die ohne Eltern herkommen.

Am Amtsgericht in Opladen sind zurzeit besondere Aushänge zu sehen. "In der Familiensache ... hat das Amtsgericht Leverkusen die öffentliche Zustellung des Beschlusses vom ... an die Kindeseltern, zuletzt wohnhaft im Irak, angeordnet", ist darauf zum Beispiel zu lesen. Der Aushang gelte als öffentlich zugestellt, wenn er einen Monat an der Gerichtstafel gehangen habe. Die Wahrscheinlichkeit, dass die angesprochenen Eltern im Irak ihn dort lesen, ist allerdings gleich null. Das weiß auch das Gericht.

"Wir haben mittlerweile eine ganze Reihe Verfahren zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die ohne Eltern hier sind", sagt Amtsgerichtsdirektorin Reimann. Öffentliche Zustellungen seien der normale Weg, um beispielsweise Vormundschaftsverfahren fortzuführen. "Wir sind verpflichtet, die Schreiben den Eltern zuzustellen. Wenn keine Anschrift ermittelt werden kann, wird öffentlich zugestellt." Nur so sei es möglich, die Vormundschaftsregelungen für die jungen Menschen relativ schnell zu klären.

Hier leben die Kinder in Leverkusen

Betreut werden die Mädchen und Jungen in der Regel vom städtischen Jugendamt. Der Fachbereich Kinder und Jugend ist laut Stadt für 126 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zuständig, berichtete Angela Hillen, Fachbereichsleiterin Kinder und Jugend, jetzt im Jugendhilfeausschuss. Das seien zwei mehr als die zugewiesene Quote.

Der Grund: Zwei seien bei Tante und Onkel, einer sei beim Bruder untergebracht. Fünf lebten derzeit noch im Atrium-Hotel, das die Katholische Jugendagentur demnächst übernehmen wird. Drei Personen seien inzwischen volljährig, zehn lebten im Jugendwohnheim St. Engelbert. Für acht Jugendliche konnten Pflegefamilien gefunden werden, und elf seien in "Verwandtenpflege", aber nicht bei den eigenen Eltern. Ein Großteil der anderen minderjährigen Flüchtlinge ist laut Stadt außerhalb von Leverkusen untergebracht.

Jugendamt muss Verwandtschaftsverhältnisse klären

"Das Alter liegt hauptsächlich zwischen 15 und 17 Jahren", teilt Stadtsprecherin Dr. Ariane Czerwon mit. Jedoch kämen auch kleine Kinder unter zehn Jahren mit Verwandten nach Deutschland. "Diese Kinder müssen ebenfalls durch die Jugendhilfe aufgenommen und den Landesbehörden gemeldet werden." Herkunft und Verwandtschaftsverhältnisse würden dann geklärt. "Zurzeit kommen die meisten jungen Menschen aus Afghanistan, Syrien und Irak, in geringerer Zahl auch aus Eritrea, Marokko und anderen Ländern."

Die meisten minderjährigen Asylbewerber, die ohne Eltern nach Leverkusen kämen, seien männlich. "Dies liegt aber auch an den Gefahren während der Flucht, die für Mädchen wesentlich größer sind", erklärt Czerwon. "Somit machen sich Mädchen seltener allein auf den Weg."

Hillen: Situation hat sich entspannt

Wie bei den Erwachsenen, so habe sich auch bei den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen die Situation entspannt, sagt Angela Hillen. Weil es weniger Zuzug gebe, könne man sich nach der Erstversorgung nun um eine dauerhafte Unterbringung bemühen. Dazu gehört die Arbeit des Schulpsychologischen Dienstes, deren Mitarbeiter sich in den Schulen besonders um traumatisierte Flüchtlinge kümmern. Die Jugendlichen wiesen teils schwere psychologische Störungen auf, bis hin zur Suizid-Ankündigung. Diese Fälle bräuchten besonders intensive Betreuung. Außerdem müssten Perspektiven für die bislang auswärtig untergebrachten minderjährigen Flüchtlinge entwickelt werden.

(RP)
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