Leverkusen 200 000 Überstunden?

Leverkusen · Bereitschaftsdienst der Feuerwehr ist Arbeitszeit – sagt das Bundesverwaltungsgericht Leipzig. 100 Leverkusener Feuerwehrleute machen deshalb nun einen Freizeitausgleich für jeweils 1872 Überstunden geltend.

Leverkusen/Leipzig Als Dr. Peter Orlowski gestern Morgen um 9.15 Uhr im Fachbereich Personal und Organisation der Stadt Leverkusen seinen Brief abgab, dürfte es einigen Personen gleichzeitig heiß und kalt geworden sein. Ganz besonders vermutlich Finanzchef Rainer Häusler. Denn was der Fachanwalt für Arbeitsrecht dem Stadtkämmerer zukommen ließ, könnte die Stadt teuer zu stehen kommen.

Orlowski vertritt mehr als 100 Leverkusener Feuerwehrleute. "Die mussten seit vielen Jahren pro Woche 54 Stunden Dienst tun – obwohl die Arbeitszeit schon 1993 von der Europäischen Union auf 48 Stunden begrenzt wurde", erklärt der Anwalt. Konkret geht es um die Zeit von 2001 bis 2006.

"Und sechs Überstunden pro Woche mal 52 Wochen im Jahr mal sechs Jahre machen 1872 Überstunden pro Feuerwehrmann. Das ist eine einfach Rechenübung." Hochgerechnet auf Orlowskis mehr als 100 Mandanten geht es um mindestens 200 000 Überstunden.

Auch im Nothaushalt?

Diese Arbeitszeiten waren auch in anderen Städten gang und gäbe, beispielsweise in Bielefeld. Die Kollegen klagten nun vor dem Bundesverwaltungsgericht – und bekamen Recht. Feuerwehrbeamte, die wöchentlich im Durchschnitt 54 Stunden gearbeitet haben, können für die Dienstzeit, die über 48 Wochenstunden hinaus geht, einen Anspruch auf Freizeitausgleich im vollen Umfang der zu viel geleisteten Stunden geltend machen, so das Urteil.

Orlowski: "Die Stadt hat die Sache seit Jahren vor sich hergeschoben, immer wieder auf die ungeklärte Rechtslage verwiesen. Jetzt gibt es Fakten. Ich warte gespannt auf eine Reaktion."

Das tut auch Günter Naves, Personalrat der Stadt. "Wir haben uns sehr gefreut. Bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung auch dann gilt, wenn sich die Stadt – so wie wir – im Nothaushalt befindet. Da bin ich skeptisch."

So genau weiß das noch niemand, denn die detaillierte, schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Aus diesem Grund will sich auch die Stadt noch nicht äußern: "Von welchen Summen im Einzelfall die Rede ist, steht noch nicht fest, weil die Urteilsbegründung noch nicht vorliegt und erst recht noch nicht ausgewertet ist. Ebenso unklar ist der Zeitraum der Rückwirkung und ob und in welchem Umfang ehemalige Mitarbeiter profitieren. Weitergehende Aussagen sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich", teilte ein Sprecher mit.

Orlowskis Mandanten bestehen nicht auf Freizeitausgleich: "Wir würden auch eine Geldentschädigung akzeptieren", sagt der Anwalt. "Ich prüfe außerdem, ob das Urteil nicht auch für Polizisten gilt."

(RP/rl)
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