Leverkusen Acht Quadratmeter pro Flüchtling

Leverkusen · 401 Flüchtlinge leben in vier Gebäuden in der Opladener Sandstraße, die sie eigentlich nach vier bis acht Wochen verlassen sollen. Beim Thema Hygiene gibt es unterschiedliche Auffassungen - eines der Probleme. Unser Autor hat seine Eindrücke einmal gesammelt.

 Acht Quadratmeter stehen in dieser Unterkunft jedem Flüchtling zur Verfügung.

Acht Quadratmeter stehen in dieser Unterkunft jedem Flüchtling zur Verfügung.

Foto: Uwe Miserius

Unterführung in der Bahnhofsgegend - diese Assoziation schickt meine Nase ans Gehirn. Doch es ist keine Unterführung, die ich betreten habe, es ist ein Haus in einer Sackgasse. Es ist ein Haus in einer Seitenstraße der Sandstraße in Opladen. Eines von vier Gebäuden plus Containern, die als Übergangsheim für derzeit 401 Flüchtlinge genutzt werden. Der miese erste Eindruck durch den Geruch wird durch die optische Wahrnehmung der heruntergewirtschafteten Wände, Decken und Böden der Gänge verfestigt.

Doch dann öffnet sich eine Parallelwelt im ersten Stock: Hinter einer Tür schaut A.T. mit einem Lächeln hervor und bittet uns in sein 16 Quadratmeter großes Zimmer, das er sich mit einem weiteren Flüchtling teilt. A.T. ist Syrer und erzählt bereitwillig seine Geschichte in einem Mix aus gebrochenem Deutsch und sehr gutem Englisch. Das persönliche Schicksal des studierten Lehrers, der seine Heimat verlassen musste, weil er weder töten noch getötet werden wollte, erinnert an die vielen Geschichten, die es zuletzt über alle möglichen Kanäle zu lesen und zu sehen gab. Sein Zimmer ist aufgeräumt, das Bett gemacht, die kleine Kochzeile blitzt. Er verabschiedet uns mit der eindringlichen Bitte, seinen richtigen Namen nicht zu erwähnen. Zwei Türen weiter stehen Mülltüten mit Essensresten vor der Tür auf dem Gang. Der unterschiedliche Umgang mit Hygiene dient als Sinnbild für einen Teil der vielschichtigen Probleme in Übergangsheimen.

"Wenn es zu Streit kommt, dann wegen der Hygiene oder weil die Menschen aufgrund unterschiedlicher Kulturen nicht miteinander klarkommen", sagt Georg Saurer, einer von zwei Hausmeistern, die ständig im Einsatz sind. "Eigentlich ist keiner auf Krawall aus, aber es gibt viele unterschiedliche Auffassungen bei Menschen - da knallt es schon mal." 401 Menschen aus 36 Nationen leben derzeit in den Gebäuden der Sandstraße, die meisten kommen aus den Ländern am Balkan. Erika Haller, Mitarbeiterin in der Flüchtlingsberatung des Caritasverbandes Leverkusen, die die Gebäude vor Ort verwaltet, sagt: "Für so viele Personen auf so engem Raum könnte es schlechter laufen."

In einem der vier Gebäude gibt es Duschen und Toiletten auf den Zimmern. Dort werden vorzugsweise Familien untergebracht. In allen Gebäuden gilt Selbstverwaltung. Die Flüchtlinge kümmern sich um die Sauberkeit in ihren Zimmern, der Waschküche, den Gängen, den Gemeinschafts-Duschen und -Toiletten. "Ich klopfe nicht an die Tür und sage: ,Du musst jetzt die Toilette putzen.' Es ist ja deren Haus", betont Erika Haller. Putzpläne gab es mal, sagt Hausmeister Saurer. "Aber wenn keiner saubermachen will, hilft der beste Plan nicht." Was die unterschiedlichen hygienischen Vorstellungen angeht, sei es im Prinzip wie in einer Studenten-WG, nur in größerem Umfang. Es gäbe extreme Schmutzfinken, "aber wir haben auch eine Bewohnerin, die sogar den Rasen vor den Gebäuden fegt", sagt Erika Haller. Vier bis acht Wochen sollen die Flüchtlinge nach Plan in einem Übergangsheim wohnen, ehe sie dauerhaft - nach Wunsch - in einer Wohnung nach dem Leverkusener Modell (siehe Info-Box) untergebracht werden. Die Realität ist eine andere. "Die Schlagzahl ist momentan einfach zu hoch", sagt Erika Haller.

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Foto: dpa, ude htf bwe

Der Geruch hängt mir beim Verlassen des Gebäudes wieder in der Nase, aber mein Gehirn denkt nicht an eine Unterführung, sondern an einen Satz von A.T.: "Es ist besser hier zu leben und Hoffnung zu haben als in Syrien ohne Hoffnung zu sterben."

(RP)
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