Leverkusen Anwohner erwägen vorsichtig Selbstschutz

Leverkusen · Dass die Stadt kürzlich betonte, die Bahnhofstraße sei kein Brennpunkt, bringt die Anwohner auf die Palme. Sie denken vorsichtig über einen eigenen privaten Sicherheitsdienst nach.

Fast jedes Wochenende wählt der 55-jährige Opladener die Nummer der Polizei - um Ruhestörungen zu melden. "Manchmal ist es um 20.30 Uhr so laut auf der Bahnhofstraße, dass wir nicht Fernsehen schauen können. Von der Polizei heiße es, Ruhestörung beginne erst ab 22 Uhr. "Wenn die Polizei rauskommt, hauen die, die was auf dem Kerbholz haben, in die Gerichtsstraße ab. Es herrscht kurz Ruhe, dann geht's weiter", klagt der Anwohner. Eine Polizeisprecherin bestätigt auf Anfrage: "Seit Jahresanfang gab es sieben Beschwerden wegen Ruhestörung. Allen sind wir nachgegangen."

Auf dem Bunker-Parkplatz, auf den kann der Anwohner blicken, "werden Drogen gehandelt. Das kann man nicht wegdiskutieren." Morgens müsse er oft erst Flaschenscherben aufkehren, damit er unbeschadet mit dem Auto aus der Einfahrt komme. "Wir haben es mit Verständnis probiert, haben die Jugendlichen, die sich zum Trinken treffen, angesprochen. Da kriegt man zu hören: Wir sind 18, wir kennen unsere Rechte, wir müssen nicht weg, sagen die dann. Was wollen Sie da noch sagen?", erzählt er.

Die Nachbarn sagten alle dasselbe, die Bahnhofstraße sei ein Brennpunkt. Der Lärm habe dem Hotel in der Straße schon Stornierungen eingebracht. Überlegungen liefen unter den Nachbarn, selbst vielleicht einen Sicherheitsdienst zu engagieren. Und: "Wir Anwohner müssten uns mit der Polizei und der Stadt an einen Tisch setzen. Vielleicht bringt das Lösungen."

Die Einschätzung des Anwohners deckt sich mit den Erkenntnissen der Polizei. Die obere Bahnhofstraße sei ein "Schwerpunkt des Nachtlebens in Leverkusen", teilt die auf Anfrage mit. Zumeist junge Männer, zum Teil mit Zuwandererbezug, halten sich dort an Wochenenden abends und nachts auf. Alkohol fließt, Hemmschwellen sinken. Die Folgen: verbale und körperliche Konflikte, Ruhestörungen, Hilfeersuchen an die Polizei. Regelmäßig würden daher offene und verdeckte Kontrollen in dem Bereich vorgenommen.

Zu den häufigsten Delikten zählten Taschen-, Laden-, Fahrraddiebstähle, Raubdelikte, Diebstahl an oder aus Kfz und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Zwar seien die Einsatzzahlen in 2014/15 um zehn Prozent gesunken, doch sei "seit August 2015 eine signifikante Steigerung bei Körperverletzungs- und Eigentumsdelikten" zu beobachten. Verstärkt würden die Probleme durchs Rauchverbot. Das führe dazu, dass Personen auf der Straße rauchen und trinken, "so dass faktisch auch nach 22 Uhr Außengastronomie stattfindet", sagt die Polizei und prognostiziert, dass die Bahnhofstraße in Zukunft "noch weiter in den Fokus polizeilichen und ordnungsbehördlichen Handelns rücken" werde.

Aber: "Die Polizei kann es nicht alleine richten", betont Bezirksvorsteher Rainer Schiefer. Zwar müsse die Bahnhofstraße als "künftiges Einfallstor zu Bahnstadt, Bahnhof und Einkaufszentrum" attraktiviert werden - das sei mit dem Stadtentwicklungskonzepts im Gange, in das sich die Bürger einbringen sollten. "Aber, überspitzt gesagt, ist die Lage auch nicht so schlimm, dass man die Straße sperren müsste", sagt Schiefer, der Anwohner und Eigentümer der Häuser viel stärker in die Pflicht sieht, an den gegenwärtigen Verhältnissen etwas zu ändern.

Dr. Michael Rudersdorf von der Stadt bleibt dabei, dass die Bahnhofstraße kein Brennpunkt im Sinne von "einem Ort, an dem gefahrenabwehrtechnisch Handlungsbedarf besteht", sei. Beschwerden gingen bei der Stadt meist am Wochenende ein, böten aber keine Anhaltspunkte, um den Sicherheitsdienst häufiger losschicken. Derzeit sind die vier Leute in zwei Teams freitags und samstags je von 20 bis 2 Uhr im Einsatz, von Mai bis Oktober ab 18 Uhr. "Der Sicherheitsdienst verfasst regelmäßig Berichte. In jüngster Zeit gab es keine Auffälligkeiten", betont Rudersdorf.

Einen Lichtblick für die Anwohner der Bahnhofstraße könnte es geben. Dieser Tage startet eine Machbarkeitsstudie zur Frage, was sich an der Stelle des Bunkers bauen ließe. Zum Sommer soll das Gutachten zu dem Areal vorliegen, berichtet die Stadt.

(RP)
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