Leverkusen/Monheim Bayer-CO-Pipeline: Warten auf Urteil aus Münster

Leverkusen/Monheim · Heute entscheidet sich vor dem Oberverwaltungsgericht Münster, ob die umstrittene Kohlenmonoxid-Leitung (CO-Pipeline) von Bayer jemals in Betrieb gehen kann. Für Pipeline-Gegner, die in Münster dabei sein wollen, wurde ein Bus gechartert. Die Verhandlung beginnt um 10 Uhr.

 Gegner der 67 Kilometer langen Kohlenmonoxid-Leitung trafen sich schon öfter am "Anti-Pipeline-Mahnmal" in Monheim. Erwin Schumacher (l.) und Dieter Donner (3.v.l.) werden heute auch im Gerichtssaal in Münster sitzen.

Gegner der 67 Kilometer langen Kohlenmonoxid-Leitung trafen sich schon öfter am "Anti-Pipeline-Mahnmal" in Monheim. Erwin Schumacher (l.) und Dieter Donner (3.v.l.) werden heute auch im Gerichtssaal in Münster sitzen.

Foto: rm

Erwin Schumacher hat vor ein paar Tagen noch mal Unkraut "an unserem Knoten" gejätet. Der Knoten, das ist das Monheimer "Mahnmal" gegen die CO-Pipeline von Bayer, eine zusammengeknotete stählerne Rohrleitung in der Nähe des Rathausplatzes. "Die Leute sollen schließlich sehen, worum es sich dreht, gerade jetzt, da es nach siebeneinhalb Jahren Protest auf die Zielgerade geht", sagt der Monheimer Vertreter der Bürgerinitiativen, die sich kreisweit gegen die 67 Kilometer lange Pipeline zusammengeschlossen haben. Durch die Leitung will Bayer hochgiftiges Kohlenmonoxid zwischen seinen Werken in Dormagen und Krefeld transportieren. Heute entscheidet sich vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster, ob der Leverkusener Konzern sein Projekt weiterverfolgen kann oder begraben muss. Unter denen, die auf den Zuschauerbänken des Gerichtssaals Platz nehmen werden, ist auch Erwin Schumacher.

"Wir fahren zu acht hin, die Stadt Hilden hat uns einen Bus zur Verfügung gestellt", sagt der 67-Jährige. Dieter Donner, Rainer Kalbe (beide Hilden), Claus Knipp (Langenfeld) und andere Pipeline-Gegner sind mit dabei. Sie alle hoffen, dass das OVG dem Projekt die Planungsgrundlage entzieht. Im Fokus steht dabei der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung aufgrund des Rohrleitungsgesetzes, das der Landtag im März 2006 verabschiedete. Tausende Bürger, aber auch die betroffenen Kommunen wenden sich seither gegen die Pipeline. Neben der Entwertung von Grundstücken ist es vor allem die Furcht vor einer Katastrophe, die die Menschen zum Protest bewegt: Was, wenn das geruchslose, unsichtbare Gas durch ein unerkanntes Leck austritt und sich über ganze Stadtviertel legt, lauten die Ängste, die Bayer trotz mehrmals nachgebesserter Sicherheitsvorkehrungen bislang nicht zerstreuen konnte.

Der Protest mündete in zahlreiche Klagen, von denen mehrere erfolgreich waren. So untersagte das OVG vor sieben Jahren vorläufig die Inbetriebnahme der Leitung. In den Fällen, die heute verhandelt werden, geht es erneut um den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Düsseldorf. Angefochten haben ihn Heinz-Josef Muhr (80) aus Baumberg und zwei Leichlinger mit Grundeigentum in Langenfeld, über deren Grundstücke die Pipeline verläuft. Vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf bekamen die Kläger im Mai 2011 nur teilweise recht: Zwar stufte das Gericht den Beschluss als rechtswidrig ein, hält ihn aber für reparabel. Die Erdbebensicherheit der Leitung stellen die Kläger auch vor dem OVG in Frage, zudem den Trassenverlauf (Warum werden zwei linksrheinische Werke rechtsrheinisch miteinander verbunden?) sowie die Zulässigkeit von Enteignungen. "Die Pipeline dient nicht dem Allgemeinwohl, sondern allein Bayer", bringt Muhr sein Hauptargument auf den Punkt.

Für die Stadt Monheim sitzt der Beigeordnete Roland Liebermann im Gerichtssaal. "Wir sind nur Zuschauer, wollen das Ganze aber wegen der Bedeutung aus erster Hand mitkriegen." Für ihn ist nach eigenem Bekunden unfassbar, dass die Pipeline längst verlegt ist, während der dazugehörige Planfeststellungsbeschluss noch in der Schwebe ist: "Das wäre so, als müsste man nach einem Hausbau noch Änderungen an der Baugenehmigung vornehmen, ja sogar noch an der Statik", sagt er.

Sollte das OVG dem Projekt die Rote Karte zeigen, werde Bayer - so hofft Muhr - die "Brocken hinwerfen". Sollte es die Klagen abweisen, will er vors Bundesverwaltungsgericht ziehen, notfalls vors Bundesverfassungsgericht. Erwin Schumacher setzt in diesem Fall auf weitere der vielen hundert Einwendungen: "Ich bin mir aber sicher, dass die Münsteraner Richter die gravierenden Sicherheitsmängel gebührend gewichten", sagt er und verweist auf von ihm dokumentierte "verrostete und überdehnte Rohre". Prozessgegner der Kläger ist die Bezirksregierung Düsseldorf. Die sieht sich außerstande, vorab eine Einschätzung zur Verhandlung abzugeben. Grund laut Sprecherin Stefanie Klockhaus: die Vielzahl der ins Verfahren eingebrachten Argumente. "Welche Punkte das Gericht in der Verhandlung ansprechen wird, können wir an dieser Stelle nicht sagen." Das OVG habe den Parteien bislang keinen Hinweis auf Inhalte der mündlichen Verhandlung gegeben. Auch Bayer möchte keine Vorab-Wertung abgeben. "Nur so viel: Wir sind sehr froh, dass es nach all den Jahren nun zu Klärungen kommen kann", teilt Jochen Kluener, Sprecher von Bayer MaterialScience, mit.

(RP)
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