Leverkusen Beklemmend: Gericht spielt Schockanrufe vor

Leverkusen · Als vermeintlicher Professor einer Uniklinik hat einer der im Schockanrufe-Prozess Angeklagten eine Seniorin bestohlen.

Betrügerbande: Durchsuchungen in Leverkusen
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"Mein Name ist Professor Wagner von der Uniklinik Düsseldorf", stellte sich der Anrufer am Telefon einer Frau in Witten in ruhiger und bestimmender Tonlage vor. "Ich rufe leider wegen Ihrer Tochter an." So begann die erste Aufzeichnung von einer Überwachung, die gestern im Kölner Landgericht im Prozess gegen fünf Mitglieder einer stadtbekannten Leverkusener Großfamilie abgespielt wurde. Die Angeklagten müssen sich wegen Schockanrufen verantworten, einer perfiden Art des Enkeltricks.

Der Anrufer, es ist einer der beiden Hauptangeklagten im Prozess vor der 15. Großen Strafkammer, verwickelte die Opfer, ausschließlich ältere Frauen, so lange in Gespräche, bis sie letztlich in vielen Fällen einwilligten, einem "zufällig vorbeikommenden Boten" das Geld oder den Schmuck zu übergeben. Am Ende des gestern abgespielten Tondokuments, dem wahrscheinlich zentralen Beweisstück der gesamten Gerichtsverhandlung, kann man noch vernehmen, wie die Frau die Wohnungstür öffnet und eine Tüte mit wertvollem Schmuck dem Boten überreicht. Zum Schluss bat "der Professor" noch das Opfer, niemanden anzurufen und den Telefonanschluss freizuhalten, damit man immer vom Verlauf der Operation informieren könne.

In dem Gespräch bat der fiktive Professor das Opfer mehrfach, "ruhig zu bleiben": "Ich kann verstehen, dass Sie aufgeregt sind." Und den Ehering an ihrem Finger könne sie behalten. Wörtlich: "Ich bin kein Unmensch."

Das Zuhören im Gerichtssaal überforderte offenbar sogar einige Angehörige der Angeklagten im Zuschauerraum, die mit rotgeränderten Augen den Saal verließen. Auch die mitangeklagte Ehefrau des zweiten Haupttäters, die das Auto für die Gaunertouren auf ihren Namen angemietet hatte, hielt sich lange Zeit einfach die Ohren zu. Sie wollte oder konnte einfach nicht hören, was die vier Männer für Straftaten begangen haben sollen. Dass sie auf der - unrechtmäßigen - Suche nach Geld waren, hätte die fünffache Mutter sich angesichts der Vorstrafen ihres Mannes denken können. Ob sie von den arglisten Schockanrufen wirklich nichts wusste? Vor Gericht hat sie dazu noch keine Angaben gemacht.

Angesichts der akribischen und gleichzeitig zügigen Ermittlungsarbeit der Kriminalpolizei vor und nach den Osterfeiertagen, die mit eindeutigen und erdrückenden Beweisen die Straftaten belegen, können die zehn Pflicht-Verteidiger keine andere Strategie als ihre permanenten Widersprüche gegen die Verwertung dieser Akten einbringen. Ihr Argument haben sie inzwischen mehrfach wiederholt, dass nämlich die Polizei hätte schon viel früher zugreifen müssen, um einen Großteil der Straftaten zu verhindern - "schließlich gab es ja auch viele unnötige Opfer" (ein Verteidiger). Eine Kriminalpolizistin sagte, man habe die Verdächtigten auf frischer Tat ertappen wollen. Das gelang denn auch am 5. Mai, wobei auch die Telefongeräte als Beweismittel sichergestellt wurden.

(sg)
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