Leverkusen Choreographie der Emotionen

Leverkusen · Matthäus-Passion - Bayer Kultur präsentiert ambitioniertes Projekt aus Musik und Tanz.

 Glaube, Liebe, Leidenschaft: Szene aus den Proben der Kamea Dance Company aus Israel, die für den tänzerischen Part der Aufführung im Erholungshaus sorgen wird

Glaube, Liebe, Leidenschaft: Szene aus den Proben der Kamea Dance Company aus Israel, die für den tänzerischen Part der Aufführung im Erholungshaus sorgen wird

Foto: Kfir Bolotin

Hätte ihm vor drei Jahren einer die Produktion beschrieben, die am Donnerstag unter dem Titel "Matthäus 2727" im Erholungshaus uraufgeführt wird, dann hätte er nur ungläubig die Augen aufgerissen, sagt Werner Ehrhardt. Jetzt ist er überzeugt von der interdisziplinären und interreligiösen Zusammenarbeit an einer völlig neuen Vermittlung von Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion, die für ihn als Geiger und Orchesterleiter von l'arte del mondo zu den Grundfesten abendländischer Musikkultur zählt. Und das trifft auch auf die anderen Beteiligten zu, die seit dem vergangenen Wochenende Dauergäste im Hause von Bayer Kultur sind.

Auf die Mitglieder der Wuppertaler Kantorei Barmen-Gemarke, die so ihr 70-jähriges Bestehen feiert, und ihren Leiter Wolfgang Kläsener, der vor mehr als zwei Jahren die Initialzündung gab, ohne zu ahnen, auf welche Weise die Idee von einer außergewöhnlichen Aufführung Fahrt aufnimmt. Es hat seine Zeit gebraucht. Nach einem ersten Gespräch zwischen den beiden deutschen Musikern und Tamir Ginz, dem Choreographen und Leiter der israelischen Kamea Dance Company, folgten viele Emails, bis das Grundkonzept stand.

Die "Matthäus 2727" ist als Rückblick aus dem Jahr 2727 angelegt und beginnt mit dem Schlusschor der Grablegung. Aus dieser Situation werden die einzelnen Passions-Stationen betrachtet, was mit dem Werk vertrauten Hörern neue Aspekte erschließen soll. Die Original-Partitur wurde auf rund 90 Minuten gekürzt, die verbliebenen Sätze in Schlüsselszenen, die jeweils mit einem betrachtenden Choral enden, neu geordnet. In Videokonferenzen und bei gegenseitigen Besuchen koordinierte man die Fragen der Probenarbeit in Wuppertal, Leverkusen und Be'er Sheva, Heimat der Company und seit 40 Jahren Partnerstadt von Wuppertal. Seit Freitag werden im Erholungshaus die einzelnen Bausteine Orchester, Chor, Solisten, Tanz und Beleuchtung zusammengefügt.

Auf keinen Fall wollte er mit der vertanzten Matthäus-Passion von John Neumeier konkurrieren, hat Tamir Ginz von vorne herein klargestellt. Kein narratives Tanztheater, das sich am Inhalt der biblischen Erzählung orientiert, stattdessen eine Choreographie der Emotionen, die den Ausdruck der Musik in persönlich empfundene Bewegung umsetzt. Und das auf einer cleanen Bühne in Schwarz und Weiß, die jede zeitliche Verortung ausschließt. So entspricht es seiner choreographischen Handschrift. Und so vermag er als Jude mit der zentralen Botschaft des Christentums umzugehen. Vor 20 Jahren wäre ein solches Projekt noch undenkbar gewesen, versichert Arno Gerlach, Chor-Vorstand und Mitbegründer der Städtepartnerschaft. Jahrhunderte lang galten Juden als Christusmörder, sein 86-jähriger Vater überlebte den Holocaust im KZ, erzählt Ginz. Aber diese Zusammenarbeit sieht er als große Korrektur. Für ihn liegt die zentrale Botschaft darin, dass Jesus Frieden, Liebe und Versöhnung in die Welt bringen wollte, und: "das ist die einzige Hoffnung, die wir haben".

Matthäus 2727 wird am 30. und 31. März, jeweils um 19.30 Uhr, im Erholungshaus aufgeführt. Karten zu 26 bis 36 Euro unter 0214/ 3041283/84. Eine weitere Vorstellung folgt am 2. April um 18 Uhr im Opernhaus Wuppertal.

(mkl)
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