Leverkusen "Dann holen wir uns eine Polin ins Haus"

Leverkusen · Und plötzlich ist alles ganz anders: Vater oder Mutter sind nach einem Krankenhausaufenthalt nicht mehr die, die sie einmal waren: "Pflegefall", lautet die Diagnose. Was nun?, die Frage der Angehörigen.

 Angehörige sind mit der Pflege daheim oft überlastet oder können sie aus beruflichen Gründen nicht leisten. Manche Familien verpflichten deshalb zusätzlich zum ambulanten Pflegedienst eine Haushaltshilfe beispielsweise aus Polen, die dann mit im Haus wohnt.

Angehörige sind mit der Pflege daheim oft überlastet oder können sie aus beruflichen Gründen nicht leisten. Manche Familien verpflichten deshalb zusätzlich zum ambulanten Pflegedienst eine Haushaltshilfe beispielsweise aus Polen, die dann mit im Haus wohnt.

Foto: ARD

Die Arbeiterwohlfahrt Leverkusen hatte gestern unter dem bewusst provokanten Titel "Dann holen wir uns eine Polin ins Haus" zu einem Informationsnachmittag eingeladen. Das war auch Anlass für unsere Redaktion, sich einmal selbst in die Situation von Angehörigen zu versetzen, die ganz kurzfristig eine 24-Stunden-Hilfe für zu Hause organisieren müssen. An wen wenden die sich, bei der unübersichtlichen Flut von Diensten, die sich im Internet tummeln?

Anke Hartmann, Sozialpädagogin bei der Arbeiterwohlfahrt Leverkusen, rät aus Seriositätsgründen, bei der Agentur für Arbeit nachzufragen. Das für Leverkusen zuständige Arbeitsamt in Bergisch Gladbach verweist aber weiter an die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) in Bonn. Bei der ZAV gibt es im Internet ein Merkblatt zur Vermittlung von europäischen Haushaltshilfen und auch ein Formular für die Stellenvermittlung.

Im Gegensatz zu einer "schwarz" eingestellten europäischen Haushaltshilfe bekommen die von der Arbeitsagentur vermittelten Kräfte ein Mindestgehalt, eine klare Aufgabendefinition, Urlaubsanspruch von 30 Tagen ab dem 30. Lebensjahr. Und sie haben eine 38,5-Stunden-Woche! Anke Hartmann weiß aber, dass die Polinnen oder sonstige ausländische Haushaltshilfen oft zwölf Stunden am Tag arbeiten und nachts manchmal auch noch rausgerufen werden, um nach dem pflegebedürftigen Familienmitglied zu schauen. Deshalb stehe die Arbeiterwohlfahrt solchen Beschäftigungsverhältnissen, die sich oft in einer rechtlichen Grauzone bewegten, recht kritisch gegenüber, betont die Sozialpädagogin.

Auch werde bei den schwarz Beschäftigten zumeist nicht mal der Mindestlohn gezahlt: "Diese Frauen müssten eigentlich 8000 Euro im Monat verdienen, bei dem, was sie leisten. Und trotzdem sind sie natürlich keine gelernte Fachpflegerin, so dass immer noch zusätzlich ein häuslicher Pflegedienst hinzu bestellt werden muss", gibt Hartmann zu bedenken. Die Aufgabe einer Polin oder einer sonstigen Haushaltskraft seien in erster Linie hauswirtschaftliche Tätigkeiten, nicht aber die fachliche Pflege.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort