Serie Die Oldtimer-Schätzchen Der Leichlinger (2) Der Daimler ist des Müllers Lust . . .

Leverkusen · Leichlingens ehemaliger Bürgermeister Ernst Müller hält es mit seinem 53 Jahre alten Schätzchen gemütlich.

 Die Seitenfenster lassen sich dank dieser Spezialvorrichtung "ausstellen".

Die Seitenfenster lassen sich dank dieser Spezialvorrichtung "ausstellen".

Foto: Miserius Uwe

Leichlingen Mit der alten Dame muss man vorsichtig umgehen, mit 53 Jahren will eine Luxuskarosse nicht mehr getreten werden. Ernst Müller geht es deshalb langsam und gemütlich an, wenn er mit seinem Oldtimer "Daimler 2.5 Liter V8 Saloon" aus dem Jahr 1963 durch die Gegend fährt. Mit dem Kauf dieser Limousine hat sich der Kradenpuhler vor zwei Jahren einen 30 Jahre alten Traum erfüllt.

Entdeckt hat er das weinrote Auto - der Experte spricht von der Farbkombination Opalescent Maroon mit beigem Interieur - in Genf und es anschließend nach Deutschland importiert. Es ist das zwölfte von nur 621 gebauten, linksgelenkten Exemplaren, lief am 3. Januar 1963 im britischen Coventry vom Band und wurde in die Schweiz exportiert. Wahrscheinlich war es dort im Frühjahr 1963 auf dem Genfer Autosalon zu sehen, bevor es im Mai ein Schweizer Apotheker kaufte.

 Ernst Müller genießt gemütliche Fahrten in den weichen Fahrer- und Beifahrersitzen aus Leder - Gurte gibt es allerdings keine.

Ernst Müller genießt gemütliche Fahrten in den weichen Fahrer- und Beifahrersitzen aus Leder - Gurte gibt es allerdings keine.

Foto: miserius

"Mit 140 PS könnte ich bis zu 180 Stundenkilometer fahren", erzählt Müller. Doch er will es nicht drauf ankommen lassen, ist auch auf der Autobahn lieber mit entspannten 100 km/h unterwegs. Wer die Fahrt in modernen Karossen gewohnt ist, stutzt beim Einsteigen und dem Griff zum Anschnallgurt: Er fasst ins Leere. Den hat der Oldtimer genauso wenig wie Kopfstützen. Dafür aber weiche Fahrer- und Beifahrersitze aus Leder, in die sich Insassen genüsslich sinken lassen können.

Schnöde Plastikfußmatten gibt es im Fußraum natürlich nicht, den zieren vielmehr kleine Perserteppiche - typisch britisch. Die Armaturen sind aus Mahagoni, ein Originalradio mit Ultrakurzwelle verbreitet einen angenehmen Klang. Wobei Original sich wahrscheinlich auf den Erstbesitzer in der Schweiz bezieht, denn Großbritannien hatte damals noch keine UKW.

 Sogar der Original-Werkzeugkasten ist noch erhalten geblieben.

Sogar der Original-Werkzeugkasten ist noch erhalten geblieben.

Foto: Miserius Uwe

Von außen fallen die verchromten Speichenfelgen ins Auge. Eine typisch britische Kühlerfigur hingegen hat die Limousine - da für den Schweizer Markt bestimmt - nicht, dafür aber einen typisch deutschen Wackeldackel auf der Ablage. Heute ist das Auto in einem sehr guten Zustand, allerdings war das nicht immer so. "1978 wurde der Daimler stillgelegt und stand bis 1997 in einer Scheune. Dann hat ihn Urs Hähnle vom Jaguar Drivers' Club Switzerland 17 Jahre lang komplett zerlegt und mit Originalteilen wieder aufgebaut", erzählt Ernst Müller. Damit erklärt sich auch, warum er trotz seines hohen Alters nur 118.000 Kilometer gefahren wurde.

Eine umfangreiche Dokumentation beschreibt die Historie des Wagens und seiner Restaurierung. Für das Fahrzeug mit den für damalige Zeiten äußerst innovativen vier Scheibenbremsen und Drei-Gang-Automatik-Getriebe existiert auch heute noch ein sehr guter Ersatzteilmarkt. 80 Prozent der Teile sind noch zu haben, manche als sogenannte NOS, Neuware aus Altbestand beispielsweise durch Lagerauflösungen. Dass das Auto tatsächlich aus Originalteilen besteht, musste Ernst Müller spätestens beim Zoll ganz genau nachweisen. "Nur so gab's beim Import den reduzierten Oldtimer-Steuersatz, und die Zöllner haben ganz genau hingeschaut - aber auch, weil ihnen das Auto so gut gefallen hat", erzählt Ernst Müller. Warum er, der im Alltag einen modernen Volvo fährt, sich mit dem Daimler einen Traum erfüllt hat, kann er sehr genau sagen: "Das ist noch Autofahren, wie man es von früher kennt - ohne Elektronik und echte Handarbeit mit Liebe zum Detail. Ich cruise gerne durch die Landschaft oder tausche mich mit Gleichgesinnten aus", erzählt der Kradenpuhler. Rustikal ist der Fahrstil, Öldruck und Wassertemperatur muss der Fahrer immer im Blick haben. Gerade war er mit seiner Frau Francoise in Großbritannien beim Treffen seines Daimler Lancester Owners Clubs, viel Zeit zum Fachsimpeln und Austausch.

In Deutschland ist er Mitglied im Jaguar Club, nimmt überdies regelmäßig an Oldtimer-Rallyes teil. Beim Blick auf sein Gefährt fällt ihm noch ein weiterer Grund ein, warum er diese Autos mag: "Es sind die Formen. Damals wurden einfach noch sehr schöne Autos gebaut mit unverwechselbaren Rundungen", sagt er begeistert. Langweilig wird's ihm mit seinem Daimler indes wohl auch in Zukunft nicht werden. Das Original "Service Manual" schreibt genau vor, was er regelmäßig zu tun hat, damit sein Fahrzeug gut in Schuss bleibt. "Alle 2500 Meilen soll man den Vergaser mit Öl versorgen. Das mache ich selbst. Aber für den umfangreichen Schmierplan gebe ich ihn in die Werkstatt", erzählt Ernst Müller. Bei der guten Pflege schafft das Auto wohl locker noch einmal 50 Jahre.

(inbo)
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