Andreas Tressin (unternehmerverbände Rhein-Wupper) "Die Fünf-Prozent-Forderung der IG Metall ist hanebüchen"

Leverkusen · Die IG Metall hat sich jetzt für fünf Prozent mehr Lohn ausgesprochen. Mitte März starten die Tarifverhandlungen. Was bedeutet die Forderung für hiesige Unternehmen?

 Mahnt die IG Metall zur Mäßigung: Andreas Tressin.

Mahnt die IG Metall zur Mäßigung: Andreas Tressin.

Foto: Unternehmerverbände.

Die IG Metall hat sich jetzt für fünf Prozent mehr Lohn ausgesprochen. Mitte März starten die Tarifverhandlungen. Was bedeutet die Forderung für hiesige Unternehmen?

Tressin Diese Forderung ist hanebüchen, weil sie gegen alle Fakten und Zahlen spricht. Unsere Firmen erleben bei bestehenden Überkapazitäten in fast allen Bereichen seit längerem einen unglaublich brutalen Preis- und Magendruck. In dieser Gemengelage ist es ausgeschlossen, Lohnsteigerungen dem Kunden weiterzugeben. Das Gegenteil, nämlich Preisnachlässe, sind angesagt, um überhaupt noch im Geschäft zu bleiben.

Aber vielen Firmen soll's gut gehen.

Tressin Der momentane Erfolg der Wirtschaft ist vor allem Resultat von glücklichen Umständen: niedriger Ölpreis, niedrige Zinsen und günstiger Wechselkurs. Zudem gibt es mehr als 25 Prozent der Mitgliedsfirmen, die Verluste schreiben oder gerade eine schwarze Null. Tarifpolitik bedeutet Regelung von Mindestarbeitsbedingungen, die der Mehrheit einer Branche die Luft zum Atmen lässt, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Was heißt das konkret?

Tressin So teuer wie in Deutschland ist Arbeit in keinem anderen großen Industrieland. USA, Großbritannien, Japan produzieren über 45 Prozent preiswerter als wir. In China kostet die Arbeitnehmerstunde 4,90 Euro, bei uns 40 Euro.

Bedeutet für diese Tarifrunde was?

Tressin Unsere Firmen brauchen dringend eine Verschnaufpause bei den Entgelten, um nicht weiter an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Wie erklärem Sie das der IG Metall?

Tressin Schon mit ihren eigenen Begründungen zu Lohnforderungen. Nimmt man die IG Metall beim Wort - nämlich Verteilungsspielraum = gesamtwirtschaftliche Produktivität + Inflation - verdienten die Mitarbeiter in den vergangenen vier Jahren sieben Prozent zu viel. Demnach müssten die Löhne sinken. Das Mindeste, was man verlangen kann, ist, dass wir wieder ein Gleichgewicht zwischen Erwirtschaften und Verteilen finden. So schlecht geht es den Mitarbeitern in der Branche nicht, bei einem Durchschnittsverdienst von fast 53.000 Euro/Jahr bei einer 35-Stunden-Woche. Was wir brauchen, ist mehr Flexibilität.

Auf welchen Feldern?

Tressin In erster Linie beim Arbeitszeitregime, insbesondere beim Volumen, weil die Kundenwünsche individueller und die Produktzyklen immer kürzer werden und damit viel Aufwand für Forschung/Entwicklung notwendig wird, ebenso für Qualifizierung und Fortbildung.

Sollen Arbeitnehmer umsonst arbeiten?

Tressin Keineswegs, aber bei künftigen Entgeltsteigerungen möglicherweise länger. Und bei den tariflichen sonstigen Entgeltleistungen kann es nicht wie bisher Automatismen im Sinne einer Effektuierung geben. Momentan ist es so, dass alle Tarifsteigerungen eins zu eins auf alle tariflichen Zulagen durchschlagen: Zuschläge für Mehrarbeit, Spät- oder Nachtarbeit etc.

Alles Themen, die in der Tarifrunde verhandelt werden?

Tressin Die derzeit rasant sinkende Wettbewerbsfähigkeit erfordert schnelles und vor allem kreatives Handeln. Zudem sind die Vorschläge gelebte Beispiele aus Haustarifverträgen. Deshalb müssten diese Beispiele im Grunde im Flächentarifvertrag perpetuiert werden. Ganz nebenbei würden wir im Übrigen eine längst überfällige Korrektur eines seit Jahren praktizierten Webfehlers vornehmen, der darin besteht, völlig überhöhte Tarifabschlüsse nachträglich über Haustarifverträge nach unten korrigieren zu müssen.

Am 28. April endet die Friedenspflicht. Fürchten sich die Arbeitgeber vor Streiks?

Tressin Ich glaube, es wird keine einfache Runde werden. Sorge bereitet mir, dass die IG Metall schon vor den Verhandlungen bei den Streikmaßnahmen erheblich aufgerüstet hat. So will die IG Metall neben Kurzstreiks mit ganztägigen Arbeitsniederlegungen Logistikketten durcheinanderbringen, was mit ganz erheblichen wirtschaftlichen Schäden verbunden ist. Darüber hinaus will sie offensichtlich auch die nicht tarifgebundenen Firmen bestreiken. Das ist es ein schlechtes Signal für eine sachorientierte Auseinandersetzung.

LUDMILLA HAUSER FASSTE ZUSAMMEN.

(RP)
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