Leverkusen Die Roten Funken werden 100

Leverkusen · Zum Jubiläum der Wiesdorfer Karnevalsgesellschaft hat das "lebende Gedächtnis" Fritz Esser Historischesund Anekdoten zusammengetragen – zu findet als umfassende Chronik in der Festschrift zum 100. Geburtstag.

Karneval? "Naja, ich hatte mir die Umzüge 1938 und 1939 angeschaut." Rote Funken? "Waren mir kein Begriff damals." Damals? Das war gegen Ende des Jahres 1946. Fritz Esser wurde gefragt, ob er ein Plakat entwerfen wolle, das zur ersten Nachkriegssitzung der Funken hinterm Elferrat aufgehangen werden sollte. "Es gab keine Farbe und kein Material – aber ich habe trotzdem zugesagt", erinnert Esser sich. Irgendwo wurde eine 20 Quadratmeter große Wagenplane aufgetrieben, und in Krefeld wurde Süßstoff für Farbe eingetauscht.

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Die Sitzung am 31. Januar 1947 vor den Stuhlreihen im Erholungshaus wurde ein heiterer Erfolg: Auch wegen der Flaschen mit "Knolly-Brandy", selbstgebrannten Knollen-Schnaps. "Das scheußliche Dünnbier wollte damals niemand trinken", ergänzt Esser. Über allem thronte sein Plakat: ein Narr, der wieder in die Wiesdorfer Altstadt Einzug hält. Jetzt war Esser ein Roter Funke. Aber er wechselte innerhalb der Gesellschaft schnell vom Maler zum Bewahrer. "Das Vereinslokal, die Wacht am Rhein, war ja mitsamt aller Aufzeichnungen im Krieg zerstört worden", erzählt der Küppersteger. Also löcherte Esser Eingesessene, trug Fotos zusammen. Das aktuellste Ergebnis seiner Recherchen findet sich als 15 und eine halbe Seite umfassende Chronik in der Festschrift zum 100. Rote-Funken-Geburtstag.

Esser ist zwölf Jahre jünger, hat es vom Plakatgestalter über Schriftführer und Vorsitzender zum Gedächtnis der Gesellschaft gebracht. Das Wenige, das er nicht im Kopf hat, findet er in einem dicken Aktenordnern zu Hause. Da steht: Fast 100 Sitzungen und Veranstaltungen haben die Funken ab 1958 für Schwerbehinderte aus verschiedenen Leverkusener Unternehmen abgehalten. Weitere für Sport- und Gesangsvereine, Alterheime, Krankenkassen, Gewerkschaften.

"Finanziell war das kein großer Wurf. Aber wir haben uns viele Freunde und einen Namen gemacht." Ausgezahlt hat es sich etwa Mitte der 1970er in Form unbürokratischer Hilfe beim Bau des Vereinsheims "Polverfaß" an der Heinrichstraße, wo heute auch das Archiv der Roten Funken untergebracht ist.

Erster Zug vom Landrat genehmigt

Dort finden sich aber längst nicht alle Überlieferungen über die Funken. In Essers Oberstübchen ist dagegen fast alles noch präsent: die Details rund um den ersten Wiesdorfer Karnevalsumzug am 27. Februar 1911 ("der musste vom Landrat genehmigt werden",... "umfasste sieben Wagen",... "das war ein riesiges Ereignis"); die Fahrgelegenheiten des Tanzcorps in der Nachkriegszeit zu den Auftritten ("ein Mitglied hatte einen Viehtransporter"); die Möglichkeiten, durch den Karneval die Not zu lindern ("bei einem Auftritt in Buir in der Eifel an Rosenmontag 1947 wurde wir mit Erbsensuppe und Butterbroten versorgt und waren erstmals wieder richtig satt"); die Rettung von Zentnern an Kamelle vor den Flammen beim Erholungshaus-Brand 1975.

Vermutlich wird die Anekdoten-Reihe bereits in dieser Session fortgeschrieben.

(RP)
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