Leverkusen Eine Sense aus Schlebusch macht sich auf den Weg in die Arktis

Leverkusen · Der Sensenhammer öffnete gestern seine Pforten und lockte Besucher aus der Region zu mehreren Schmiedevorführungen ins Industriemuseum.

 Siegfried Seiler (r.) hat noch in der Sensenfabrik seine Ausbildung absolviert. Jetzt zeigt er im Museum die Kunst des Freiformschmiedens.

Siegfried Seiler (r.) hat noch in der Sensenfabrik seine Ausbildung absolviert. Jetzt zeigt er im Museum die Kunst des Freiformschmiedens.

Foto: Uwe Miserius

So friedlich, ruhig und idyllisch die Umgebung um den alten Sensenhammer ist, so außergewöhnlich brummt es im Inneren des heutigen Industriemuseums, wenn die alten Hämmer angeschmissen werden: In den Tiefen der ehemaligen Fabrik dröhnen die Feuerkessel, klingen klirrend laut und rhythmisch die Hämmer. "Und dabei laufen längst nicht alle Maschinen", sagt Bernd Jüdt vom Museumsteam amüsiert. "Die Arbeiter hier waren früher täglich etwa 120 Dezibel ausgesetzt - und das ohne Lärmschutz." Eine nahezu hypnotisierend eintönige Geräuschkulisse, an die sich die Besucher nur langsam gewöhnen können: "Man versteht hier sein eigenes Wort nicht", ruft eine Frau ihrem Begleiter zu, der nur einen Schritt von ihr entfernt steht. Er nickt achselzuckend und richtet seine Kamera auf Michael Schmidt, um den Schmiedevorgang festzuhalten.

Mit fließenden, rotierenden Bewegungen dreht der 38-Jährige das langgezogene Stück Stahl zwischen dem Aufschlagen des mechanischen Hammers. Wie die Besucher erfahren, reckt Schmidt gerade die Angel. So nennen die Profis den Vorgang, wenn der Stahlstab am oberen Drittel so geformt wird, dass im weiteren Verlauf die Sichel der Sense breitgeschlagen werden kann. Für diesen Schritt - an einem anderen Hammer - übergibt der eigentlich gelernte Schreiner seinem Lehrmeister Siegfried Seiler (75) die sogenannten Rohlinge zur weiteren Verarbeitung. Der Senior gehört noch zu den ehemaligen Mitarbeitern des Sensenhammers und lernte hier 1958 die Schmiedekunst.

Mit Schwung schiebt Seiler die Stahlstäbe in den Ofen, in dem die gelbroten Flammen lodern und den Stahl bei mehreren tausend Grad erwärmen. Nach wenigen Sekunden zieht Seiler den ersten goldenglühenden Stab aus dem Feuer und schlägt das Material glatt. So langsam erkennt auch der Laie die Form der Sense.

"Eigentlich unvorstellbar, welche Arbeit das früher war, und unter welchen Umständen und welcher Lautstärke die Männer hier arbeiten mussten", sagt Marcella Dorn. Die ehemalige Grundschullehrerin ist mit ihren Enkelkindern Alessio (4), Anna (7) und Bruno (10) im Museum: "Ich finde wichtig, dass die Kinder erfahren, wie schwer es früher war, Geld zu verdienen."

Unter den Besuchern tummelt sich auch ein kanadischer Gast, ein waschechter Inuit, handwerklich begabt und interessiert an alten Techniken. Von der alten Schmiedekunst ist er begeistert, sagt Lee John Kikoak. Und seine Frau Simone Wagener-Kikoak hat ihm noch ein besonderes Erinnerungsstück an den Schmiedenachmittag besorgt. "Diese Sense", sagt die Rheinländerin aus dem benachbarten Bensberg, "kann er vielleicht demnächst für seine Arbeit nahe der Arktis benutzen."

(RP)
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