Leverkusen Ex-TBL-Chef Gerlich droht SPD mit Austritt

Leverkusen · Der frühere städtische Geschäftsführer kritisiert die Flüchtlingspolitik - und argumentiert wie sein einstiger CDU-Gegenspieler Buchhorn.

Als Reinhard Gerlich vergangenes Jahr bei den städtischen Technischen Betrieben (TBL) verabschiedet wurde gab es keinen Handschlag. Der damalige Leverkusener Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn und sein Geschäftsführer - sie waren sich nahezu ihre gesamte Amtszeit hindurch in gegenseitiger Abneigung verbunden.

Gerlich ging in Pension, Buchhorn wurde abgewählt - doch nun, ein Jahr danach, scheinen die Kontrahenten plötzlich in ihren Handlungsweisen so übereinzustimmen, als hätten sie sich abgesprochen.

Beide haben sich mit ihren Parteien überworfen, und beide geben unter anderem Angela Merkels Flüchtlingspolitik dafür die Schuld. Buchhorn teilte der CDU im Oktober mit, dass er zum Jahresende sein Parteibuch zurückgebe. Und er warf der Kanzlerin vor, für die Hohe Zahl an Nichtwählern mitverantwortlich zu sein: "Die Menschen auch in Leverkusen fühlen sich von den dunkelhäutigen Zuwanderern bedroht und in ihrer Existenz auf Dauer beeinträchtigt", schrieb er.

In dem Brief des Sozialdemokraten Gerlich jetzt an SPD-Chef Sigmar Gabriel klingt es ganz ähnlich, nur dass er eben auch das Verhalten seiner Genossen in der großen Koalition anprangert: "Der Aufruf der Bundeskanzlerin, allen Asyl zu gewähren, und die Aussage, dass Asyl keine Obergrenzen kennt, war in meinen Augen die schlimmste Fehlentscheidung der letzten Jahre", schreibt Gerlich. Dabei nimmt er Flüchtlinge aus Kriegsgebieten wie in Syrien mit Zerstörungen wie in Aleppo ausdrücklich aus. Was die Bundeskanzlerin aber ausgelöst habe, sei eine "Einladung an den Rest der Welt" gewesen, nach Deutschland zu kommen.Was Merkel mit ihrem "Wir schaffen das" erreiche, sei lediglich: "Wir schaffen es, unseren Sozialstaat zu ruinieren." Wenn sich die Harz-IV-Konditionen erst herumgesprochen hätten, dauere es nicht mehr lange. Und Koalitionspartner SPD sei "die Partei, die am wenigsten mit Finanzstabilität zu tun hat".

Auch ist Gerlich "nach langjähriger Beobachtung der Politik in der Türkei absolut gegen deren Eintritt in die EU. Die Türkei ist ein totalitärer, zum radikalen Islamismus tendierender Staat. Angela Merkel hat die BRD durch ihren Aufruf in eine unmögliche Situation manövriert. Die SPD tut nichts, um hier regulierend einzugreifen".

Gerlich wirft zudem SPD-Justizminister Heiko Maas eine unglückliche Rolle vor. Sein "Wettern gegen Pegida" habe eine Atmosphäre geschaffen, in der jedes Wort gegen Flüchtlinge dazu führe, dass man als rechtsradikal eingestuft werde. Gerlich betont, die Diskussion um die Nebenwirkungen der Islam-Einwanderung den Rechtsradikalen zu überlassen, sei ein Kardinalfehler.

Und die Aussage von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: "Wir sehen hin, wir zeigen Haltung, wir sehen nicht den Flüchtling, sondern den Menschen", setze allem die Krone auf. "Das heißt doch: wir lassen alles laufen und tun nichts", sagt Gerlich. "Ich konnte mich zuletzt immer weniger mit den politischen Maßnahmen der SPD identifizieren, so dass ich zu meinem Bedauern schweren Herzens darüber nachdenke, aus der SPD auszutreten", schreibt der Ex-TBL-Chef: " Ich bin 2017 insgesamt 25 Jahre SPD-Mitglied - wenn ich dann noch in der Partei bin. Bei der SPD-Hauptversammlung 2016 in Ratingen wurde das Thema Flüchtlinge überhaupt nicht angesprochen."

(RP)
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