Leverkusen Volles Haus beim Neujahrsempfang der Sparkasse

Leverkusen · Als Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DeKa-Bank, am Ende seiner Rede war, gab es als Dankeschön von Sparkassen-Chef Rainer Schwarz ein Kistchen mit Flaschen - und keinen Bayer-04-Fanschal, den Schwarz-Vorgänger Herpolsheimer noch gerne jedem Gastredner umhängte. Es war nicht die einzige Premiere beim Neujahrsempfang der Sparkasse.

 Ulrich Kater referierte vor gut 500 Gästen beim Empfang der Sparkasse. Deren Chef Rainer Schwarz verfolgte den Vortrag des Frankfurter Finanzanalysten gespannt.

Ulrich Kater referierte vor gut 500 Gästen beim Empfang der Sparkasse. Deren Chef Rainer Schwarz verfolgte den Vortrag des Frankfurter Finanzanalysten gespannt.

Foto: Uwe Miserius (2), Ludmilla Hauser

Rainer Schwarz ist viel weniger - Pardon - Rampensau als Manfred Herpolsheimer. Der vermittelte häufiger bei der Eröffnung der zurückliegenden Neujahrsempfänge der Sparkasse den Eindruck, sich gerne im Bühnenlicht zu sonnen. Die Eröffnung geriet so teils zu zotig, zu laut, zu ich-betont. Bei Schwarz nicht.

 Leverkusener Unternehmer Axel Kaechele.

Leverkusener Unternehmer Axel Kaechele.

Foto: Ludmilla Hauser

Der neue Sparkassenchef drängte sich nicht auf, als er sich an Heiterkeit versuchte, die ihm zum Einstieg in einen Abend glückte. "Ich neige nicht zu Superlativen, aber so voll wie heute war es noch bei keinem Empfang", merkte er an. "Und das sind keine alternativen Fakten, das ist real", spielte er auf die Äußerungen aus dem Hause Trump an. In der Tat: Mehr als 500 Gäste suchten sich einen Platz, die Sparkasse öffnete erstmals auch die Empore.

 Die städtische Baudezernentin Andrea Deppe.

Die städtische Baudezernentin Andrea Deppe.

Foto: Ludmilla Hauser

Hören wollten die Gäste einen Mann, den zuvor vermutlich kaum jemand von ihnen kannte - auch das ist neu. In den Vorjahren waren etwa Peer Steinbrück und Christian Wulff da (deren Rednerlöhne teils für Aufsehen gesorgt hatten). Nun also Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DeKa-Bank in Frankfurt. Das Thema: "Nullzinsen, Brexit & Co. - ein Blick in die Zukunft".

 Klinikum-Geschäftsführer Hans-P. Zimmermann

Klinikum-Geschäftsführer Hans-P. Zimmermann

Foto: Ludmilla Hauser

Der Mann entpuppte sich als Glücksgriff. Nach ein paar aufwärmenden heiteren Sätzen wurde er ernst, ohne zu langweilen. 2016 gelte als annus horribiles, ein schreckliches Jahr. "Wird 2017 auch so? Brexit, Trump, in Europa gärt es. Da gibt es Leute, die sagen, das wird nicht so schlimm. Denen gebe ich Recht. Vielleicht wird's schlimmer."

 Frank Obermaier (WfL), Christian Zöller (Chemp.)

Frank Obermaier (WfL), Christian Zöller (Chemp.)

Foto: Ludmilla Hauser

Die Erklärung, die Globalisierung habe Schuld an der momentanen Verunsicherung, an der Abschottungspolitik von Donald Trump in den USA, am Entstehen rechts orientierter politischer Gruppierungen, ließ Kater nur zum Teil gelten. "Was sich in den letzten drei Jahrzehnten entwickelt hat, ist eine noch nie dagewesene Verflechtung der Weltregionen zu einem einzigen Marktplatz", sagte der 50-Jährige. Die Globalisierung habe in materieller Hinsicht der Weltwirtschaft einen ordentlichen Schub versetzt. Es gebe heutzutage ein riesiges Angebot an Dienstleistungen und Waren zu extrem niedrigen Preisen. "Real sind die Einkommen rund um den Globus in der Zeit um 200 Prozent gestiegen, selbst die Anzahl derer, die in absoluter Armut leben, hat sich in den 30 Jahren bis zur Finanzkrise halbiert." Aber es gebe auch Verlierergruppen. Hier brauche es Solidarität. "Das ist ein wesentlicher Teil der DNA des Gemeinwesens eines Staates, eines Staatenbundes. Politische Stabilität erwächst aus Solidarität", mahnte Kater mit Blick auch auf die EU.

 Adolf Staffe von der Leverkusener Tafel.

Adolf Staffe von der Leverkusener Tafel.

Foto: Ludmilla Hauser

Aber die Globalisierung sei nicht alleinige Erklärung für das Ungemach. An ein zweites Thema traue sich nur niemand ran: "America first, Abspaltungen von der EU - das alles löst das Problem nicht, das aus der sich rasend entwickelnden Technologie herrührt." Aber wer meine, durch Schutzzölle gegen China Arbeitsplätze wieder zurückholen zu können, der irre. "Das Erste, was man durch eine Abschottung spüren wird, ist, dass die Preise höher werden. Die Briten erleben gerade einen Vorgeschmack." Vielmehr riet Kater dazu, das Sozialwesen zu überdenken. Dabei könnte das System in Skandinavien Vorbild sein.

 Auch Sozialdezernent Markus Märtens kam.

Auch Sozialdezernent Markus Märtens kam.

Foto: Ludmilla Hauser

Nichtsdestotrotz: Aus wirtschaftlicher Sicht habe 2017 sehr erfolgreich begonnen. Der Konjunkturschwung komme aus Europa, aus Spanien, Frankreich, Deutschland. Kater bügelte die Unkenrufe aus, dass die Inflation zurück sei. "Sie befindet sich mit 1,5 Prozent in Europa, um die zwei in Deutschland in ihrer Komfortzone zwischen einem und drei Prozent. Alles darüber und darunter ist schlecht."

 Roswitha Arnold (Grüne) lugt Thomas Eimermacher (CDU) über die Schulter.

Roswitha Arnold (Grüne) lugt Thomas Eimermacher (CDU) über die Schulter.

Foto: Ludmilla Hauser

Er rückte von der großen Global-Analyse wieder nah ans Portemonnaie der Gäste heran. "Wenn Sie mich fragen, wann die Zinsen wieder steigen, heißt die Antwort: 2017 nicht." Hierzulande gebe es zu wenig Zutrauen in Aktien, "da kommt alles aufs Konto", wo es keine Zinsen mehr gebe. "Diese Nullzins-Orgie hängt noch mit der Finanzkrise zusammen. Der Aufbau der Kreditblase hat 20 Jahre gedauert, der Abbau dauert auch sehr lange." Die erste Zinserholung sieht er 2019. Bis dahin sollten die Sparer ihr Vermögen breiter aufstellen, riet er.

 Peter Orlowski, Rechtsanwalt aus Opladen.

Peter Orlowski, Rechtsanwalt aus Opladen.

Foto: Ludmilla Hauser
 Volles Haus: In der Wiesdorfer Zentrale der Sparkasse saßen am Montag die Gäste dicht an dicht.

Volles Haus: In der Wiesdorfer Zentrale der Sparkasse saßen am Montag die Gäste dicht an dicht.

Foto: Miserius Uwe

Und das annus horribiles? Ulrich Kater machte Hoffnung: "Wenn uns 2017 positiv überraschen will, dann passiert in der politischen Ecke nichts, und dann wird es ein annus mirabilis, ein wunderbares Jahr." Bis auf ein paar vielleicht zu tiefe Ausflüge in die Sprache der Volkswirte (Markoökonomie, Schweinezyklus) lässt sich das auch über den Abend sagen: wunderbar unterhaltsam-informativ.

(RP)
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