Leverkusen Flüchtlinge: harte Fragen in der Waldsiedlung

Leverkusen · In der Waldsiedlung soll im kommenden Jahr nahe der Friedenskirche eine Notunterkunft für Flüchtlinge aufgebaut werden. In der Anwohnerversammlung übten Bürger teils harte Kritik und äußerten ihre Ängste.

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Foto: dpa, rwe jai

Dass die Bürger Leverkusens in Sachen Flüchtlingsfragen hilfsbereit und offen sind, aber gleichzeitig auch Ängste und Sorgen offenbaren, zeigte die Anwohner-Informationsveranstaltung der Stadt Leverkusen in der Friedenskirche (Waldsiedlung). Rund 150 Bürger versammelten sich in der Kirche, denn: Im zweiten Quartal nächsten Jahres soll an der Merziger Straße, gegenüber der Friedenskirche, eine Flüchtlingsunterkunft gebaut werden, die für 90 Personen Platz bieten wird. Diese Containeranlage wird laut Plan zum Teil barrierefrei sein und ist gleichzeitig für Familien mit Kindern geeignet. Sie ähnelt der Anlage "Im Bühl", ist zweistöckig und sieht ein Betreuungskonzept, eine sozialpädagogische Betreuung durch die Caritas und ergänzende Angebote wie Sprachkurse oder Angebote für Kinder vor. Der Aufbau soll laut Baudezernentin Andrea Deppe im März oder April erfolgen.

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Foto: dpa, awe

Die Veranstaltung war so gut besucht, dass Personen, die aufgrund der plötzlichen Schneeverhältnisse etwas zu spät kamen, keine Sitzgelegenheiten wahrnehmen konnten. Pfarrer Jürgen Dreyer betonte zu Beginn, dass der Austausch zwischen Politik und Bürgern sehr wichtig sei: "Hier müssen wir eng zusammenstehen. Jede Begegnung zwischen Kulturen ist ein Landgewinn gegenüber IS, Salafisten und Pegida. Wenn wir konkret helfen, stehen wir auch nicht außen vor."

Ehe Sozialdezernent Markus Märtens das neue Projekt näher vorstellte, verdeutlichte Oberbürgermeister Uwe Richrath nochmals die große Belastung für die Kommunen, die durch die neue Geschwindigkeit der Flüchtlingsströme entstanden sei: "Anfang des Jahres hatten wir pro Woche 43 Flüchtlinge aufgenommen, jetzt sind es bereits 80. Das ist eine riesige Herausforderung für die Verwaltung und für die Menschen in Leverkusen. Wenn wir Verständnis zeigen und uns einbringen, haben wir die Chance zu zeigen, dass wir in der Lage sind, mit Menschlichkeit diese Aufgabe so gut wie möglich zu meistern."

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Foto: Dieter Weber

Nachdem erste Fragen von den Bürgern gestellt und seitens der Stadt beantwortet waren, kam schnell ein härterer Ton auf. Eine Anwesende zitierte unsere Zeitung vom 15. August, in der es auszugsweise heißt: "Auch in der angeblich vor allem von reichen Leverkusenern bewohnten Waldsiedlung soll es eine Notunterkunft geben. Der Vorwurf, die ,Reichen' würden von solchen Projekten verschont, wie Politiker von Bürgerliste und CDU Rheindorf es formulierten, ist entkräftet." Die Bürgerin war der Ansicht, dass das Projekt ein Politikum sei und nur deshalb in die Merziger Straße käme. Als Pfarrer Jürgen Dreyer einschritt, um die Bürger daran zu erinnern, dass man nicht im Fußballstadion sei und deshalb auf den Ton achten und freundlich Fragen formulieren soll, um auch die anspruchsvolle Arbeit der Stadtmitarbeiter etwas zu würdigen, gab es zunächst kurz Applaus.

Doch die Stimmung kippte erneut, als ein Bürger offen über seine Ängste und Bedenken sprach, die von Dirk Terlinden (Fachbereich Umwelt) als "Unsinn" bezeichnet wurden. Lautstark flogen Wörter und Sätze wie "Setzen, Sechs", "unbequeme Fragen werden gescheut" oder "Sie sprechen den Dialog an, den man so nicht führen kann" seitens der Anwohner in Richtung Verantwortliche. Die Bürger äußerten Ängste vor "eingeschränkter Freiheit", "Wertminderung der Immobilie", "Verlust der Idylle". Ein Besucher meinte, er habe Angst, dass Flüchtlinge vielleicht in den Garten schauen würden, wenn seine Frau im Bikini sei.

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Foto: dpa, fg nic

Oberbürgermeister Richrath versuchte zu schlichten und stellte heraus: "Wir müssen bedenken, dass es eine Aufgabe ist, die uns weltpolitisch gestellt wird. Ich stehe als Mensch, nicht nur als Verantwortlicher dieser Stadt, in der Aufgabe, dieser Verpflichtung nachzukommen".

(hawk)
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