Leverkusen "Fürchtet euch nicht!"

Leverkusen · Ist "German Angst" heilbar? Martin Häusler, Sohn des Stadtkämmerers, hat ein Buch über die Ängste der Deutschen geschrieben. Dafür hat er 13 Prominente von Franz Alt bis Ulrich Tukur zu ihren Krisenerlebnisse befragt und die Interviews im Wortlaut abgedruckt.

 Martin Häusler versucht, mit seinem Buch Hoffnung zu machen.

Martin Häusler versucht, mit seinem Buch Hoffnung zu machen.

Foto: Wieding

Ein Junge fragte seinen Vater, was denn sei, wenn die Schornsteine des Bayer-Werks nicht mehr qualmen. "Dann ist Leverkusen pleite!", sagte der Vater. Seitdem ging der ängstliche Blick des Kindes immer in Richtung Skyline. So schildert Martin Häusler sein erstes Angsterlebnis. Der Vater ist Rainer Häusler, heute Stadtkämmerer, der die Pleite der Stadt verwaltet. Der Sohn, Journalist und Autor, hat nun ein neues Buch herausgebracht, das sich mit dem Thema Angst beschäftigt. Dafür ist er durch die Republik gereist und hat Prominente, Politiker und Professoren getroffen und mit ihnen über Angst gesprochen. Herausgekommen ist eine Bestandsaufnahme einer Gesellschaft, die sich zu häufig von Ängsten lähmen lässt. Doch Häusler will Hoffnung machen und zeigen, wie man seine innere Freiheit zurückgewinnt.

"German Angst" ist international zum festen Begriff geworden. Doch nicht nur die Deutschen lassen Ängste von sich Besitz ergreifen: Ganz aktuell sieht man, wie die Angst vor Rezession weltweit die Börsen talfahren lässt. Angst vor Aids, Angst vor Atomkraft, Angst vor Terroristen — der Fokus wechselt, die Ängste bleiben und rauben den Menschen die Kreativität.

"Angstkronzeugen" interviewt

Der 37-jährige Autor, der mittlerweile in Hamburg lebt, hat sich 13 prominente "Angstkronzeugen" gesucht und sie interviewt. Über die Angst in der Kunst sprach er mit Wolfgang Niedecken, Ulrich Tukur und Dieter Wedel. Bei Künstlern trifft häufig Existenzangst auf die Angst, nicht mehr gefragt zu sein. Auch die drei Befragten haben Krisen durchlebt, die sie im Gespräch mit Häusler schildern. BAP-Chef Niedecken meistert Krisensituationen so: "Weitermachen, an sich arbeiten, die Voraussetzungen optimieren." Tukur entdeckt in der Angst jedoch für einen Schauspieler auch etwas Positives: "Angst hat ein hohes Energiepotenzial."

Mit Schauspielerin Esther Schweins spricht der Journalist über Todesängste und das Überleben. Denn sie hat den Tsunami 2004 mit ihrer Mutter auf Sri Lanka überlebt.

Im Sport regiert eine ganz andere Angst: die Angst zu versagen, davon berichtet Fußballtrainer Christoph Daum. Eine Spirale aus Angst und Selbstzweifel kann zu regelrechten Blockaden führen. "Angstsituationen sind im Profifußball eher der Normalfall als die Ausnahme", sagt der Fußballtrainer. "Da gibt es Versagensangst, also die Angst, Fehler zu machen, Erwartungen nicht zu erfüllen, sich zu blamieren."

Spieler sollen über Scherben gehen

Drastische Methoden wählte Daum, um seine Spieler bei Bayer Leverkusen von ihren Ängsten zu heilen. Sie sollten über Glasscherben gehen. Zunächst lehnten das alle Spieler ab. Doch nach einem Mentaltraining durch einen Fachmann wagten tatsächlich 19 der 25 Spieler den Gang über die Scherben. Daum: "Ich wollte, dass die Spieler lernen, sich mit ihren Gedanken und Gefühlen zu beschäftigen." Ein großer Teil der Spieler hat sich anschließend regelmäßig mit dem Mentaltrainer getroffen.

Häuslers Quintessenz am Ende des Buches kommt etwas spirituell daher: "Verbinden wir unsere Zuversicht wieder mit einer göttlich-geistigen Instanz und damit auch dem Göttlich-Geistigen in uns, sind wir nicht mehr den vergänglichen Dimension unseres Lebens ausgeliefert." Gerade in Zeiten der "Anbetung des Materiellen" sei der Blick nach innen hilfreich.

(RP)
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