Leverkusen Gelebte Nächstenliebe: Bayer-Mitarbeiterin hilft in Indien

Leverkusen · Drei Monate verbrachte Nadine Wahner von Bayer in Indien, um bei einem Hygiene- und Landwirtschaftsprojekt mitzuarbeiten - und den Alltag in dem asiatischen Staat hautnah mitzuerleben.

Nadine Wahner schaut aus dem Fenster ihres kleinen Büros. Büffel sieht sie, Ziegen, Affen, Schweine, Hühner, dazwischen eine Frau, die draußen vor dem Haus ihre Wäsche wäscht, Menschen, die von Geschäft zu Geschäft eilen - das pralle indische Leben auf dem Lande.

Die 31-Jährige denkt gerne an den Herbst in diesem Büro in der Mitte vom Nirgendwo zurück. Drei Monate hat sie im Bundesstaat Andra Pradesh verbracht - in einem Dorf teilweise fernab von dem, was in westlichen Ländern als zivilisiert gilt: "Im Grunde gibt es dort keine Mülleimer, alles wird direkt auf die Straße geworfen. Viele, eigentlich die meisten Leute, haben keine Toiletten. Dafür gibt es immer etwas außerhalb in den Dörfern einen Straßenabschnitt. Es ist einfach kulturell auch nicht angesehen, wenn so nahe an einem Haus eine Toilette steht", erzählt die Mitarbeiterin von Bayer Business Services.

Um die sanitären Vorzüge eines WCs näherzubringen, war die Unternehmensberaterin unter anderem in Indien. Sie gehört zu den ersten fünf Bayer-Mitarbeitern, die an dem Projekt "Bayer People Care for Society" teilnehmen, das Mitarbeiter zu sozialen Projekten in aller Welt entsendet, in denen Bayer sich bereits engagiert. Die Idee: Mitarbeiter können ihre sozialen Kompetenzen außerhalb des eigentlichen Arbeitsumfeldes, nämlich in Schwellen- und Entwicklungsländerprojekten einsetzen. "Im kommenden Jahr wollen wir das Angebot auf alle Bereiche ausdehnen", erzählt Bayer-Sprecher Dirk Frenzel.

Nadine Wahner entschied sich für das Projekt "Wash" (kurz für "Water, Agriculture, Sanitation, Hygiene" - Wasser, Landwirtschaft, Sanitär und Hygiene) einer Nichtregierungsorganisation (NGO) vor Ort und gab unter anderem in den zugehörigen Projektdörfern Trainings zu den vier Themenbereichen.

"Bei Landwirtschaft ging es zum Beispiel darum, den Bauern den Umgang und die Lagerung von Pflanzenschutzmitteln näherzubringen, bei Wasser um die Trinkwasserfilterung, beim Thema Hygiene neben den Vorteilen der Toilettennutzung auch ums Händewaschen mit Seife, um Mülleimer, Abwasserkanäle und ums Wassersparen", fasst die 31-jährige Bayer-Mitarbeiterin zusammen. "Wash" ist für drei Jahre angelegt, 60.000 Farmer sollen trainiert werden.

Einfach ist das nicht - allein wegen der Sprachbarriere. "Viele Farmer sind Analphabeten, aber die meisten Kinder gehen in die Schule, können den Eltern dann das vorlesen, was wir ihnen mitgegeben haben." Bei den Trainingskursen halfen Übersetzer bei der Vermittlung der Themen.

Nadine Wahner hat sich in den drei Monaten hauptsächlich um die Projektorganisation gekümmert, um dem Ganzen "ein Gerüst" zu geben, hat eine Strategie zum Spendensammeln entwickelt, eine Spenderdatenbank erstellt. Und sie hat Land und Leute kennen gelernt. Hautnah. "Es gibt eine andere Privatsphäre: Der Besuch in Indien kommt - meist mit etwas zu essen unterm Arm - zu jeder Tageszeit vorbei", erzählt die 31-Jährige von den Gästen in ihrem kleinen Apartment. "Ich glaube, das war die einzige westliche Toilette im ganzen Dorf. Das Toilettenpapier musste ich immer in der Nachbarstadt kaufen. Die ist eine dreiviertelstündige Autofahrt entfernt."

Wahner war als Weiße eine Attraktion auf dem indischen Land, umgekehrt hat die Deutsche festgestellt, wie scharf indisches Essen wirklich ist, nämlich richtig scharf, "schon morgens wird dort Getreidebrei mit grünen Chilis gegessen. Außerdem gibt's zu jedem Essen rohe Zwiebeln dazu." Nachts hatte Wahner anfänglich ungebetene Gäste: "Dass Ratten unter meinem Bett spielten, fand ich nicht so gut. Danach habe ich immer alle Ritzen an der Tür zugestopft."

Und doch: Die Offenheit der Inder, ihr Wille, dafür zu sorgen, dass es den eigenen Kindern einmal besser geht, als ihnen selbst, ihre Dankbarkeit "all das hat mich dort wirklich umgehauen", gesteht Wahner. Der Wunsch, den sie mitgenommen hatte, noch einmal den direkten Einfluss der eigenen Arbeit vor Ort zu sehen, hat sich erfüllt. "Die Menschen haben die Trainings tatsächlich gut angenommen." Und sie? Was hat sie aus Indien mitgenommen? "Dass Privatsphäre hierzulande überschätzt wird, dass sich die Menschen dort viel mehr um einander kümmern und dass die Risikobereitschaft, Neues auszuprobieren, etwas ist, was man in den eigenen Arbeitsalltag integrieren sollte", sagt Wahner. Das pralle indische Leben im Kleinformat sozusagen.

(RP)
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