Prof. Antje-Britta Mörstedt Generation Z kennt keine Hierarchien

Leverkusen · Jede Generation hat ihre Eigenheiten. Die Jüngste heißt Generation Z und wächst im digitalen Zeitalter auf. Was das auch für die Arbeitswelt bedeutet, erläutert Professor Antje-Britta Mörstedt, Vizepräsidentin der PFH Private Hochschule Göttingen.

Prof. Antje-Britta Mörstedt: Generation Z kennt keine Hierarchien
Foto: pronova

Leverkusen (agös) Aktuell betritt eine Generation die Arbeitswelt, die digital mit dem Netz aufgewachsen ist. Im Internet gibt es keine Hierarchien. Das hat Auswirkungen auf deren Verhalten in Unternehmen. Sie begegnen Führungskräften auf Augenhöhe. Diese Generation Z - Geburtsjahrgänge 1995 bis 2010 - ist selbstbewusst, technikaffin, wünscht sich im Berufsleben ein gutes Gehalt und legt viel Wert auf das Privatleben.

Frau Mörstedt, Wie unterscheidet sich die Generation Z im Vergleich zu anderen Generationen?

Mörstedt Die Generation Z ist die Erste, die komplett in der digitalen Welt aufgewachsen ist. Sie ist daher auch völlig digitalisiert im Alltag. Das heißt aber nicht, dass sich die Vertreter dieser Generation bestens in Computerprogrammen wie Excel oder PowerPoint auskennen, wie vielleicht viele Arbeitgeber erwarten. Nein, damit meine ich, dass sie mittels Smartphone oder Tablet im Netz leben. Ihr erster Blick morgens und letzter Blick abends gilt dem Smartphone. Sie sind auf Plattformen wie Facebook, Instagram oder Snapchat heimisch: Sie posten, liken und kommentieren. Für Jugendliche ist es wahnsinnig wichtig, dort präsent zu sein.

Hat der ständige Medienkonsum Auswirkungen auf die Gesundheit?

Mörstedt Doch. Z-ler sind sehr flatterhaft und haben Schwierigkeiten, sich längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren. Schon kleine Kinder können unter motorischer Hyperaktivität, Sprachentwicklungs- oder Einschlafstörungen leiden. Außerdem steigen die Zahlen internetabhängiger Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland.

Die pronova BKK bietet ein Programm an, bei dem Erzieher und Lehrkräfte spezielle Fortbildungen zur Mediensuchtprävention erhalten. Wie sinnvoll sind solche Projekte?

Mörstedt Der richtige Umgang mit digitalen Medien muss frühzeitig kontrolliert und geübt werden. Kinder und Jugendliche sollen lernen, die Vorteile einer digitalen Welt zu nutzen, ohne auf reale, zwischenmenschliche Erlebnisse mit Freunden zu verzichten.

Jede Generation wird von Entwicklungen geprägt. Welche sind das?

Mörstedt Die Generation Baby Boomer beschreibt die geburtenstarken Jahrgänge 1959 bis 1965. Sie sind in der Welt des Wirtschaftswunders groß geworden und wollten viele Dinge anders als ihre Eltern machen. Nach einer wilden Jugend entwickelten sich die Baby Boomer zu engagierten und gewissenhaften Workaholics, die ihr Leben ganz dem Job widmen. Dass ein vermeintlich sicheres Umfeld schnell verschwinden kann, merkte die Generation X (Geburtsjahrgänge 1966 bis 1979) schnell. Die X-ler wurden geprägt von der Wirtschaftskrise, der Wiedervereinigung Deutschlands und hohen Scheidungsraten. Innovationen rund um das Internet beeinflussten das Leben der Generation Y (Geburtsjahrgänge 1980 bis 1993): Sie haben eine enge Bindung zu moderner Technologie und bekamen von ihren Eltern viel Aufmerksamkeit, Unterstützung und Selbstbewusstsein vermittelt. Bei der Generation Z ist die Digitalisierung des Alltags noch stärker geworden. Krisen sind allgegenwärtig, sei es die Wirtschafts-, Flüchtlings- oder Eurokrise. Im Internet können sie Eskalationen 24 Stunden täglich verfolgen. Bei ihnen ist die ständige Nutzung von Smartphones selbstverständlich.

Welche Werte verfolgen die verschiedenen Generationen?

Mörstedt Die Baby Boomer sind karriereorientiert, arbeiten lange und haben einen strukturierten Arbeitsstil. Die Generation X ist selbstständig, technikversiert, ergebnisorientiert, Zeit ist ihnen wichtiger als Geld. Die Y-ler leben im Hier und Jetzt, fühlen sich im Internet zu Hause, sind Multi-Tasker und streben weniger nach Führungspositionen - viel wichtiger ist ihnen der Spaßfaktor. Auch das Privatleben ist für sie wesentlich. Z-ler sind sehr selbstbewusst. Sie sind an einer kollegialen Arbeitsatmosphäre interessiert, erledigen Aufgaben aber lieber allein als im Team. Sie wünschen sich Feedback, da sie dies aus den sozialen Netzwerken gewohnt sind.

Wie sind die Arbeitseinstellungen der Älteren und der Jüngeren?

Mörstedt Schon jetzt gibt es in Unternehmen immer mehr altersgemischte Teams, bei denen die Altersspanne deutlich höher ist als noch vor einigen Jahren. Die verschiedenen auf dem Arbeitsmarkt vertretenen Generationen stellen die Unternehmen vor diverse Herausforderungen, schließlich sollen Arbeitsabläufe möglichst konfliktfrei abgewickelt werden. Baby Boomer identifizieren sich sehr mit der Organisation, in der sie tätig sind. Ein sicherer Arbeitsplatz und die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und der eigenen Gesundheit haben für sie einen hohen Stellenwert. Die Erwerbstätigkeit geht im Vergleich zum Privatleben häufig vor. Ganz anders etwa die Generation Z, deren Motto "Leben, leben, leben" lautet. Die Z-ler sind von ihren Eltern partnerschaftlich erzogen worden. Ich höre immer wieder, dass die jungen Leute keinen Respekt gegenüber Vorgesetzten zeigen. Wie auch? Die Generation Z kennt kein Hierarchiedenken. Für sie ist der Chef ein Coach oder ein Mentor, dem sie sogar private Probleme mitteilen, und von dem sie erwarten, dass er auch ihnen Privates erzählt. Z-ler möchten Spaß im Beruf haben - und der Beruf soll bitteschön auch zum Privatleben passen. Andere Generationen vor ihnen gingen nach dem Studium auf Jobsuche. Für Z-ler ist es dagegen nicht ungewöhnlich, eine wohlverdiente Pause zu machen und ein Jahr zu reisen und "zu chillen".

Auf die unterschiedlichen Erfahrungen, Ansprüche und Ziele müssen sich die Unternehmen einstellen...

Mörstedt Auf jeden Fall. Durch die Realisierung eines Generationenmanagements kann sowohl eine positive Wirkung auf die vorhandenen Mitarbeiter als auch eine positive Außenwirkung im Sinne einer Steigerung der Unternehmensattraktivität und -erfolgs erzielt werden. Medizinische Betreuung, Events und Vorträge zu Gesundheitsthemen, ein umfangreiches Aktivitäts- und Freizeitangebot und eine psychologische Beratung sind nur ein paar Möglichkeiten, die ich in diesem Zusammenhang nennen kann.

(RP)
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