Leverkusen Georg Kreislers Lieder begeistern immer noch

Leverkusen · Ilja Richter - Schauspieler, Sänger, Fernsehmoderator - sang im Agam-Saal Stücke des österreichischen Komponisten.

Nein, das Mädchen mit den drei blauen Augen kam nicht, nicht mal als Zugabe. Es fehlten auch andere seiner bekanntesten Chansons wie das "Taubenvergiften im Park" oder der "Opernboogie" in dieser abendfüllenden Hommage an den Komponisten und Liedermacher Georg Kreisler. Dennoch kamen die Besucher von KulturStadtLev im vollen Agam-Saal, größtenteils langjährige Fans des ebenso sarkastischen und wortgewandten Klavier-Kabarettisten, auf ihre Kosten bei diesem "Blick durch Georg Kreislers Brille".

Kreisler ist im November 2011 im Alter von 89 Jahren gestorben, nicht aber seine nach wie vor treffenden und komischen Lieder. Wenn sich nur einer zutraut, sie lebendig zu halten. Das tut Ilja Richter, wenn er mitunter sehr überzeugend in die Rolle des Österreichers schlüpft, sich aber ganz auf den Gesang und kleine szenische Beigaben konzentriert. Das Klavierspiel überlässt er Sherri Jones, die sich mit gleicher Begeisterung und pianistischer Fingerfertigkeit durch die Partitur arbeitet, die es durchaus in sich hat. Denn Kreisler war nicht nur der gesellschafts- und sozialkritische Poet mit rabenschwarzem Humor, sondern auch ein hervorragender Klavierspieler und - das kam auch für langjährige Fans überraschend - ein ernsthafter Komponist.

Zwei Kostproben seines Instrumentalwerkes gab Sherri Jones dankenswerterweise und rundete damit das Bild von dem Mann ab, über dessen Leben mancher vielleicht gerne noch ein wenig mehr erfahren hätte.

Viel lieber jedenfalls als die schlichten Kalauer und vorhersehbaren Pointen, mit denen Ilja Richter die Lücken zwischen den Kreisler-Liedern füllte und die Erinnerung an seine eigene Fernsehpräsenz in den 80ern weckte. Auch an seine Qualitäten als Synchronsprecher und Stimmenimitator, die diesem Programm durchaus zugute kamen.

Als habe er die Pausengespräche der Zuhörer belauscht, wechselte er im zweiten Teil zum Glück die Strategie und beschränkte sich größtenteils auf die Kreisler-Originale, auch weniger bekannte aus dem überreichen Fundus von 600 Stücken. Die sprechen ohnehin für sich und sind so fein komprimiert, dass sie kein erklärendes Geplauder brauchen. Allenfalls an den Stellen, die sich auf politische Amtsträger der Entstehungsjahre beziehen, die den jüngeren Zuhörern nicht zwangsläufig bekannt waren.

Aber die meisten Lieder verdanken ihre Texte ohnehin der genauen Beobachtungsgabe des Dichters, der seinen Finger zu gern in Wunden und Schwachstellen legt. Mit der gebotenen Übertreibung und Verkehrung, mit Ironie und Sarkasmus, ganz wie es sich für einen Meister seines Genres gehört. Über den Musikkritiker, den melancholischen Triangelspieler oder Zeilen wie: "Aber was für'n Ticker ist der Politiker, ist er wirklich so von Nöten wie er glaubt?" können Menschen heute genauso herzlich lachen wie vor 40 Jahren. Die Kombination von schneller Sprache, die Richter an den Rand seiner Artikulationsmöglichkeiten brachte, widerborstigen Rhythmen und einer genialen, mit vielen Zitaten aus der Musikgeschichte gespickten Klavierbegleitung zündet ohnehin und ist zeitlos.

(mkl)
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