Leverkusen Getanzte Landschaften vermitteln unzählige Eindrücke

Leverkusen · Auf zwei großen Bildschirmen im Bühnenhintergrund sind identische Küstenlandschaften zu sehen. Als das Saallicht im Forum-Studio ausgeht, beginnen sie sich zu bewegen. Minimal nur, denn die Brandung, die in der Ferne auf Land trifft ist so sacht, dass dort hunderte Seevögel auf ihren Plätzen verharren. Dann gehen erstmals die Scheinwerfer an und erleuchten die fünf Frauen auf weißem Tanzboden, die einzelne Elemente des Hintergrundbildes aufzunehmen scheinen. Etwa das leichte Ausrollen des Wassers, die unendlich langsamen Haltungsänderungen eines Vogels, während eine Tänzerin die Linien der Küstenformation mit den Händen nachzuzeichnen scheint.

 Mit unterschiedlichen Lichtfarben auf den steingrauen Outfits der Tänzerinnen wurden immer wieder andere Stimmungen erzeugt.

Mit unterschiedlichen Lichtfarben auf den steingrauen Outfits der Tänzerinnen wurden immer wieder andere Stimmungen erzeugt.

Foto: Ralph Matzerath

"Performing Landscapes" hat die künstlerische Leiterin Anna-Carolin Weber, die hier inmitten vier anderer Tänzerinnen (Julia Hensen, Eva Klein, Janina Schlereth und Clara Somnitz) auf der Bühne steht, ihre Produktion genannt. Der Zusatz "Skizzen I" macht deutlich, dass nach dem Muster dieser Idee weitere Variationen folgen könnten. Entstanden ist die abendfüllende Vorstellung, die ohne Pausen oder Auf- und Abgänge beständig im Fluss bleibt, im Tanztheater Schlebusch unter dem Dach des Schlebuscher Turnvereins 1881. Die Premiere fand im Programm der Schul- und Jugendtheatertage im Forum statt.

Wie in einer echten Landschaft lassen sich nicht wirklich sämtliche Eindrücke aufnehmen. Die Zuschauer müssen sich, genau wie der Wanderer in der Natur, ständig entscheiden, wem sie den Vorzug geben, was sie genau fokussieren, während alles andere eher in den Hintergrund der Betrachtung rückt. Nicht zwingend war es der jeweils solistische Part, der im Gesamtbild die meiste Aufmerksamkeit erfuhr. Und so gab es ebenso viele unterschiedliche Wahrnehmungen wie Menschen im ausverkauften Forum-Studio.

Tatsächlich gibt es noch viel mehr Möglichkeiten, wenn man bedenkt, dass diese Performance als offene Choreografie für sich einzigartig ist und sich genau so niemals wiederholen lässt. Zufall oder ein beabsichtigter Hinweis auf die Vielfalt des Lebens, die sich wohl niemals ganz erforschen lässt. Ob derart philosophische Gedanken hinter der Produktion stecken, verriet der Programmzettel nicht. Aber sie drängten sich auf an einem Abend der Entschleunigung, der das normale Zeitempfinden außer Kraft setzte. Der eine permanente Bewegung und oft minimale, aber stetige und ununterbrochene Veränderung miterleben ließ. Auch wenn die bewegten Landschaftsaufnahmen von Zeit zu Zeit wechselten, ebenso die Musik mit vorwiegend elektronischen Klängen und die Lichtfarben, die unterschiedliche Stimmungen zauberten. Sie veränderten auch die Farbe der Tänzerinnen in den steingrauen Hosen und Oberteilen mit plissierter Oberfläche, die sich so in Wüsten oder Steppen, in Auen-, Seen-, Wiesen- oder Waldlandschaften einfügten, die wie Eisschollen oder Schaumkronen aneinanderklebten oder sich trennten.

Nach einem Augenblick des verzauberten Innehaltens gab es kräftigen Applaus für die Tänzerinnen.

(mkl)
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