Leverkusen "Gisela" macht den Chempark sauber

Leverkusen · Der Tunnel im ehemaligen Bayerwerk führt zur Kläranlage in Bürrig. Durch ihn laufen 1500 m3 Abwasser pro Stunde.

 Currenta-Mitarbeiter Marco Stausberg steigt vier Mal im Jahr zu Gisela hinunter. Der Tunnel liegt gut zehn Meter tief unter der Erde und führt vom Chempark unter Wiesdorf durch zum Entsorgungszentrum in Bürrig.

Currenta-Mitarbeiter Marco Stausberg steigt vier Mal im Jahr zu Gisela hinunter. Der Tunnel liegt gut zehn Meter tief unter der Erde und führt vom Chempark unter Wiesdorf durch zum Entsorgungszentrum in Bürrig.

Foto: Uwe Miserius

Gisela lässt Männerherzen höher schlagen. Hat schon Marius-Müller-Westernhagen im gleichnamigen Lied gesungen: "Oh, Gisela, wenn ich dich seh', schlägt mein Herz schneller." Und auch bei Marco Stausberg pocht's viermal im Jahr heftiger, wenn er Gisela einen Besuch abstattet. Die Dame ist im Chempark zu Hause und hört offiziell auf den Namen L 12. In dem kleinen Gebäude jedenfalls ist der Einstieg, der hinabführt zu dem 1,8 Kilometer langen Stollen - der vom Chempark zum Entsorgungszentrum in Bürrig führt.

Vier Mal im Jahr steigt Marco Stausberg die Metalltreppe zu Gisela hinunter, um in zehn Metern Tiefe nach dem Rechten zu sehen. Frost spürt Stausberg, Betriebsleiter Hauptkanalisation und für über 100 Kilometer Kanalnetz für Abwasser im Chempark zuständig, hier unten nicht. Es ist angenehm temperiert.

Und geruchlich neutral. Es könnte anders sein, denn das dicke Rohr im Tunnel führt "behandlungsbedürftige Abwasser aus dem Chempark zum Entsorgungszentrum", erläutert Ralf Nötzke, Leiter Betrieb Infrastruktur im Chempark. "Es sind Abwasser von den Toiletten und aus der Produktion der Firmen, die zur Kläranlage transportiert werden müssen. Was durch das dicke Rohr im Stollen laufen darf, muss vorher genehmigt werden, Antibiotika beispielsweise dürfen es nicht sein. Die Mengen, die Gisela bewältigt, sind beachtlich: "1500 Kubikmeter im Schnitt pro Stunde", berichtet Nötzke, "das macht rund 13 140 000 Kubikmeter pro Jahr."

Bis 1988 nahm das Abwasser aus dem Bayerwerk seinen Weg durch eine Doppelrohrleitung, die nicht begehbar war. Dann kam Gisela. Und zwar mit einem Paukenschlag. Der Tunnel wurde im unterirdischen Vortriebsverfahren erstellt. Vorher wurden in Wiesdorf Häuser an der Tunnelstrecke begutachtet, Anwohner fürchteten, ihre Keller könnten wegen Gisela absacken. Beim Tunnelbau selbst wurde der Erdaushub auf Lkw quer durch Wiesdorf zur Deponie in Bürrig gebracht. Als ein Lkw-Faher beim Abladen des Erdreichs eine Fünf-Zentner-Bombe auf seinem Laster entdeckte, brachte er sich erstmal in Sicherheit und schlug Alarm. Vorsichtshalber wurden die Autobahnen ringsum gesperrt, auch eine Eisenbahnlinie. Die Bombe musste entschärft werden.

Gisela verläuft in einem Freischwebegefälle vom Chempark Richtung Wiesdorfer City, etwa unter der Kaiserstraße, der Albert-Einstein- und der Adolfsstraße hindurch und unter dem Neulandpark her nach Bürrig. Ist das Abwasser estmal in der Röhre im Stollen angelangt, etwa über eine Pumpstation im Flittarder Chemparkbereich, braucht es keine Pumpe mehr bis Bürrig, um das Abwasser fließen zu lassen, erläutert Stausberg. Erst dort muss die Flüssigkeit auf Erdniveau angehoben werden. Wenn er zu Gisela hinabsteigt, geht's um Kontrolle. "Unter anderem des Bauwerks, durch das auch Starkstromkabel für die Energieversorgung in Bürrig laufen, aber auch um die optische Prüfung der Dichtigkeit des Rohres", sagt er.

Bisher habe Gisela noch keine Scherereien gemacht. "Sie ist eben eine sehr unkomplizierte Dame", sagt Nötzke. Eine ohne Kurven, aber mit vier Knicken, schließt er an. Stausberg widerspricht lachend: "Also für mich hat Gisela Kurven." Dann lüften sie das Geheimnis um den Namen: "Gisela heißt nach der Frau des Maschinenführers, der damals die Vortriebsmaschine geführt hat."

Ob Marius Müller-Westernhagen die auch kannte?

(RP)
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