Leverkusen Haus Berns - ein geschichtsträchtiger Ort

Leverkusen · Das Restaurant "Zur Post" an der Quettinger Straße schließt Anfang des kommenden Monats. Inhaber Ute und Rolf Berns gehen in Rente. Damit verändert sich auch ein Haus, das über ein Jahrhundert alt ist. Und in dieser Zeit viel gesehen hat.

Nachdenklich schaut Rolf Berns durch das Fenster aus dem Gastraum hinaus. Es ist keine Nachdenklichkeit, die Traurigkeit in sich trägt, eher sogar ein wenig Erleichterung. "Tja, was mache ich ab dann", seufzt der 73-Jährige. Diese Frage hatte er sich wohl bisher so nicht gestellt. Und das obwohl sie sich unweigerlich aufdrängt.

Schließlich wird es sein Restaurant "Zur Post", das in Quettingen über ein Jahrhundert einer der Lebensmittelpunkte vieler Menschen des Stadtteils war, ab dem 3. März nicht mehr geben. Kein Essen verlässt die Küche, kein Bier geht über den dunklen, hölzernen Tresen. Mit seiner Frau Ute hatte Berns die urgemütliche Kneipe 52 Jahre lang geführt. "Irgendwann muss dann Schluss sein", sagt er.

Sein Opa hatte das Grundstück an der jetzigen Quettinger Straße einst gekauft - das war im Jahr 1899. Bereits rund drei Jahre später stand das große Haus. Schon damals mit dem typischen Aussehen, das sich über die Jahrzehnte kaum geändert hat. So sticht es zwischen den Mehrfamilienhäusern noch heute heraus. "Bis 1941 hatte es einen großen Tanzsaal", erzählt Berns. Den gebe es nicht mehr, weil die Nachfrage nicht mehr da war. Und wohl auch aus politischen Gründen - aber darüber schweigt er sich aus. Schließlich sei das Schnee von vor-vorgestern, wie Freund Ulrich Lorenz lächelnd betont.

Der Vorsitzende der Fördergemeinschaft Quettingen hat sich ebenfalls an einem Tisch im großen Gastraum niedergelassen. Viele Vereine - nahezu alle, die den Namen des Stadtteils in sich tragen - seien hier gegründet worden. "Es ist ein bedeutendes Stück des Alt-Quettinger Lebens", betont er mit leuchtenden Augen, "das ist in wenigen Worten gar nicht zu erfassen." Und Berns ergänzt: "Da kommt viel zusammen, man könnte fast ein Buch schreiben." Ob nun die Schützenbruderschaft des Sankt Sebastianus, der Turnverein DJK oder die Kicker des TuS 05 - sie alle nahmen ihren Ursprung in dem alten Gemäuer.

Dessen Wände sind mit allerlei Dingen geschmückt. Alles ist vollgehangen. Doch nicht etwa so, dass es zu viel wird, eine möglicherweise erdrückende Wirkung erzeugt. Vielmehr erzählen die Wände die Geschichte des Hauses und verleihen dem Raum seinen gemütlichen Charme. Ein hölzernes Wagenrad deutet stark an, für was das jetzige Restaurant Mitte des 20. Jahrhunderts genutzt wurde. Damals gingen nicht Gäste, sondern Briefträger und Pferde ein und aus. "Während des Kriegs wurde das Haus als Posthilfsstelle genutzt", sagt Berns. Privatleute sicherten der Post so die Verteilung auf dem Land.

Zudem fungierte es 36 Jahre lang, bis 1941, als Pferdewechselstelle für Postkutschenfahrer. Im gleichen Jahr starb Rolf Berns' Großvater. Nachdem seine Tante das Grundstück für rund zehn Jahre übernahm, trat Berns auf den Plan. Und das für 52 Jahre.

Einen neuen Abnehmer für die Gaststätte gibt es nicht, Sohn Olaf sei zwar Koch, erzählt Berns, doch wenn der Partner nicht passe, sei die Geschäftsführung für eine Person zu viel. "Junge Leute verdienen heute viel besser - ohne eigene Gastronomie", sagt der 73-Jährige. So wird das Haus nach seiner Schließung umgebaut, die Fassade bleibt erhalten. In die oberen Etagen kommen Büroräume - für seinen Schwiegersohn, der habe ein Softwarefirma. Das Ehepaar Berns wird in den jetzigen Gastraum ziehen. "Früher das Wohnzimmer der Gäste, bald ist es unseres", scherzt Rolf Berns. So schließt sich ein Kreis.

(RP)
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