Prozess um versuchten Brudermord "Ich verzeihe dir das nie"

Leverkusen/Köln · "Ich wollte nachladen, ich hätte es gekonnt. Aber du hast mir leidgetan." Mit diesen letzten Worten, die einem Angeklagten in einem Strafprozess zustehen, versuchte der inzwischen 23-Jährige, der im Juni 2016 fünf Schüsse auf seinen Bruder abgefeuert hat, sich zu entschuldigen.

Leverkusen: Schießerei in Quettingen
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Mann schießt auf Bruder in Leverkusen

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Foto: Uwe Miserius

Das ging aber nicht mehr. Denn das Opfer, der ältere Bruder, der dreimal getroffen und dabei lebensgefährlich verletzt worden war, hatte zuvor schon gesagt: "Ich verzeihe dir das nie." Mit den Gutachten von Sachverständigen und Plädoyers von Staatsanwalt, Nebenkläger und Verteidiger wurde gestern der Schwurgerichtsprozess im Kölner Landgericht bis auf die Urteilsverkündung abgeschlossen.

Der Richterspruch wird am morgigen Donnerstag verkündet. Er dürfte dann nicht sehr überraschend ausfallen. Es ist zu erwarten, dass der Angeklagte zwar wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung und unerlaubten Waffenbesitzes verurteilt wird, gleichwohl wird keine Schuld festzustellen sein. Denn die Tat wurde in einem Zustand der Unzurechnungsfähigkeit begangen. Auf die Freiheit wird sich der Angeklagte dennoch nicht freuen können, denn für ihn führt der Weg in den geschlossenen Maßregelvollzug.

Unter der Kontrolle von Ärzten besteht für den 23-Jährigen die Möglichkeit, nach einer zu erwartenden langen Therapie irgendwann einmal als geheilt entlassen zu werden. So lange, bis keine Gefahr mehr für weitere Straftaten besteht, die nicht nur Familienmitglieder und Bekannte gefährden, sondern auch die Allgemeinheit.

Vor allem das Gutachten der forensischen Psychologin fällt eindeutig aus: Die spricht sogar von einem irreversiblen Schaden, verursacht nicht zuletzt durch das krankhafte Verlangen nach Drogen (Cannabis), das Handlungen des Angeklagten unvorhersehbar macht.

Schon einmal wurde der 23-Jährige vom Leverkusener Amtsgericht verurteilt, als er seine Halbschwester anging; das war im Jahr 2015. Für ein Wegschließen des Mannes hatte es damals noch nicht gereicht. Er begab sich danach in ärztliche Behandlung, doch die verordneten Tabletten hatte er nicht genommen. Seine Betreuungshelferin lockte ihn damit, dass er die finanzielle Hilfe vom Sozialamt nur dann bekomme, wenn er sich wenigstens eine Spritze des Arzneimittels (als Depot) geben lassen würde.

Im Prozess vor dem Landgericht wurde auch noch einmal deutlich, wie der versuchte Brudermord die Familie über alle Maßen belastet. Das Opfer konnte die Tränen beim Schlusswort seines Verteidigers, der ihn als Nebenkläger vertrat, nicht unterdrücken. Der Rechtsanwalt sprach die vielen Probleme des jüngeren Angehörigen mit seiner Homosexualität und den Drogen an - und den damit verbundenen Schmerz für die Familie.

(sg-)
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