Leverkusen Jan Hoeft: Mit der Kunst durch die Wand

Leverkusen · Der Kunstverein Leverkusen Schloss Morsbroich eröffnet heute Abend eine für diese Räume konzipierte Ausstellung .

 Das soll so: Der Kölner Künstler Jan Hoeft hat für die neue Ausstellung im Schloss fast raumsprengende "Marmorsäulen" konzipiert. Eröffnung ist heute Abend.

Das soll so: Der Kölner Künstler Jan Hoeft hat für die neue Ausstellung im Schloss fast raumsprengende "Marmorsäulen" konzipiert. Eröffnung ist heute Abend.

Foto: UM

Hat jemand falsch gemessen? Die zwei vierkantigen Marmorsäulen sind zu lang geraten, so dass sie ein Stück aus den Fenstern des Kunstvereins Leverkusen in den Schlossremisen ragen. Vermessen sind allenfalls die Aussagen, die je eine monotone Männer- und Frauenstimme simultan über Lautsprecher in den Säulen verkünden. Der Kölner Künstler Jan Hoeft, der diese den Raum sprengende Installation eigens für diesen Ort konzipiert hat, ist äußerst penibel. Alle seine Objekte sind vorher genauestens konstruiert und berechnet. Deswegen konnte er gestern, gut 30 Stunden vor Ausstellungseröffnung, ganz ruhig bleiben, obwohl die Galerie da noch einer Schreinerwerkstatt glich.

Da musten noch Kisten zusammengenagelt und mit selbstklebender Marmorfolie bezogen und zu einem Säulengebilde zusammengefügt werden, das wie geknickt im Raum liegt. Doch der ästhetische bildnerische Eingriff in die Räumlichkeiten, der bereits Fragen nach Materialität, historischen Zitaten oder industrieller Fertigung aufwirft, ist für Jan Hoeft nur Mittel zum Zweck. Eigentlich geht es ihm um tiefere Inhalte, die er über eine Irritation transportiert. In diesem Fall sind es die Sätze, die innen wie außen über Lautsprecher zu hören sind und deren Sinnzusammenhang sich zunächst nicht erschließt. Einige klingen nach biblischen Texten aus dem Buch der Offenbarung. Aussagen einer apokalyptischen Weltsicht in Erwartung der großen Katastrophe, welcher Art auch immer. Es dauert einen Augenblick, sich auf die Inhalte einzulassen, weil die beiden Stimmen, die sich in einiger Entfernung zu einem Chor mischen, der an die Form des antiken Theaters erinnert, völlig emotionslos, ja fast synthetisch klingen.

Solche "Stellschrauben" wie beispielsweise Licht, das ein wenig zu hell, zu dunkel, zu kalt oder warm ist, benutzt Hoeft bewusst, um einen Moment der Irritation zu erzeugen. Denn der öffnet Denkräume, und darum geht es dem Künstler eigentlich. Bei dieser Rauminstallation beschäftigten ihn die unterschiedlichen Gruppen, die derzeit die allein richtige Deutung der politischen Lage für sich in Anspruch nehmen und behaupten: "Ich sehe es ganz deutlich."

So lautet auch der Titel der Ausstellung, bei der im sechsminütigen Takt ganz ähnliche Aussagen in Dauerschleife laufen: "Eine neue Ordnung erkämpfen wir hier und jetzt", "Es ist Zeit, dass die Leute aufwachen" oder "Die Sklaverei ist beendet, die Zeit ist gekommen." Es sind allesamt Schlusssätze aus langen ideologischen You-Tube-Beiträgen von Rednern ganz unterschiedlicher Couleur.

Hoeft interessiert sich dabei allein für die Rhetorik, die nämlich bei allen dieselbe ist. Dazu läuft im Nebenraum eine Videoarbeit. Außerdem hat er einzelne Beispielsätze in Schließzylinder graviert, die aber nichts erschließen,, denn es handelt sich um Blindschlösser.

(mkl)
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