Leverkusen Jazztage: Im Paradies der Gitarren

Leverkusen · Die Veranstalter der Leverkusener Jazztage haben am 11. November eine großartige "Worlds Finest Guitar Night" zusammengestellt: Der 18-jährige Gipfelstürmer Joe Robinson, dem die Zukunft gehört, das Vokal-Gitarren-Duo Tuck & Patti, die für die romantische Note des Abends sorgten, und mit Al Di Meola und Lee Ritenour zwei Weltklasse-Jazzer, die von ebensolchen Musikern begleitet werden.

Die Veranstalter der Leverkusener Jazztage haben am 11. November eine großartige "Worlds Finest Guitar Night" zusammengestellt: Der 18-jährige Gipfelstürmer Joe Robinson, dem die Zukunft gehört, das Vokal-Gitarren-Duo Tuck & Patti, die für die romantische Note des Abends sorgten, und mit Al Di Meola und Lee Ritenour zwei Weltklasse-Jazzer, die von ebensolchen Musikern begleitet werden.

Wunderknabe Joe Robinson zeigte gleich zu Beginn für eine halbe Stunde, wie sich ein frühreifes Gitarrengenie anhört. Bereits seit vier Jahren bespielt der Australier mit Gitarren-Giganten wie Tommy Emmanuel die Bühnen und Jazzfestivals dieser Welt. Er gewann übrigens 2008 das australische DSDS-Pendant, was Dieter Bohlen die Schamesröte ins Gesicht treiben sollte.

In Leverkusen legt Robinson gleich mit hohem Tempo los. Wie sein Mentor Tommy Emmanuel spielt er die Gitarre im Fingerstyle gleichzeitig als Rhythmus- und Melodieinstrument. Höllisch schnell ist er und hat trotzdem ein Gespür für eingängige Melodien, die fast schon im Dixieland-Stil daherkommen. Soviel Talent erkennt auch das zu einem guten Teil aus Hobby- und Profimusikern bestehende Publikum an, und sei es nur durch wohlwollend erstaunt hochgezogene Augenbrauen und ein zustimmendes Schmunzeln. Das wird mal einer.

Das weiß natürlich auch Robinson, der allerdings bisweilen etwas zu ungestüm, schnell und unsauber spielt. Doch gerade sein Sturm- und Drang-Spiel, in dem er Tommy Emmanuel ähnelt, macht seinen Charme aus. Am 16. November spielt Robinson übrigens im Theater an der Kö in Düsseldorf.

Lehrling und Meister

Der Klassenunterschied zwischen Lehrling und Meister ist jedoch bereits beim nächsten Konzert unüberhörbar: Al Di Meola, einer der wenigen, auf die das Prädikat "Gitarrengott" uneingeschränkt zutrifft, zeigt dem Publikum zusammen mit seinem ehrfurchterregend gut eingespielten "New World Sinfonia"-Ensemble, wie von komplexen Polyrhythmen durchsetzter Hochgeschwindigkeits-Akustikjazz mit mediterranem Einschlag klingt.

Der Sound ist klar, sauber und voluminös, alle Musiker auf der Bühne beherrschen das schwierige Spiel mit der Dynamik. Der zweite Virtuose dieses Auftritts ist Akkordeonist Fausto Beccalossi, mit dem sich Di Meola ständig ausgefuchste Melodieläufe hin und her spielt. Di Meolas trockener Akustiksound bringt das Publikum im nun brechend vollen Saal des Leverkusener Forums zum Toben.

An dem Auftritt lässt sich gut studieren, was das Zusammenspiel zwischen Musikern ausmacht: Die Fähigkeit, einander zuzuhören — die andächtigen Gesichter von Drummer Peter Kaszas und Percussionist Gumbi Ortez während ihrer raren Einsatzpausen, wenn Di Meola und Beccalossi mal wieder allein das Konzert schmeißen, sprechen Bände. Drei Zugaben erklatscht sich das Publikum von den Weltsymphonikern, was den engen Fahrplan für den Konzertabend gehörig ins Schlingern bringt.

Das Publikum verteilt sich während der darauffolgenden Umbauphase, um sich mit Getränken und Musik-CDs einzudecken oder im Nebensaal der "D'N'A Group" zu lauschen. Leider wurden daher Tuck & Patti, der einzige Vocal-Act des Abends, vor einem halbleeren Saal angekündigt. Deshalb startete das erste Konzert des US-Musikerehepaars bei den Jazztagen holprig. Tuck Andress und Patti Cathcart reisen seit fast 30 Jahren gemeinsam durch die Musikwelt. Andress ist ein Gitarrist vor dem Herrn, dessen komplexes, Akkorde und Melodielinien fast perkussiv in Fragmente zerlegendes Spiel sich kaum kopieren lässt.

Der Auftritt der beiden wird romantisch: Während Robinson wohlwollendes Nicken und Al Di Meola ehrfürchtiges Staunen hervorrufen, schmiegen sich bei den von Cathcart einfühlend gesungenen und von Andress virtuos begleiteten Covern wie "Time After Time" oder "Tears in Heaven" die Pärchen im Publikum aneinander.

Da Tuck & Patti die Kunst beherrschen, mit ihrem Publikum zu kommunizieren, ist der Saal schnell wieder gefüllt. Für Gänsehaut sorgt Andress‘ Instrumentalversion von Michael Jacksons "Man in the Mirror" (die sich auch bei YouTube anhören lässt). Tuck & Patti sind nie Superstars gewesen, wohl ein Grund, warum ihr Konzertauftritt so bodenständig und warmherzig daherkommt. Das Leverkusener Publikum dankt ihnen ein großartiges Konzert mit langem, warmem Applaus.

Ein Highlight zum Ausklang

Es ist fast halb elf, als nach einer weiteren Umbauphase, die von "Lizard‘s Crime" überbrückt wird, der Hauptact die Bühne betritt. Lee Ritenour & The Hang Allstars aus Kalifornien liefern nach den ersten drei akustisch geprägten Auftritten eine Elektro-Smooth-Jazz-Show ab, die buchstäblich vom Feinsten ist: Drummer Will Kennedy und Bassist Wolfgang Schmid spielen einen tighten, treibenden Beat, wie man ihn sich nur wünschen kann, die Grusin-Brüder ziehen am Piano und Keyboard alle Register, Newcomer Nils Wülker zeigt mit virtuosen Soloeinlagen an der Trompete, warum ihn die Jazz-Granden unbedingt bei diesem Auftritt dabei haben wollten, und der große Virtuose der Band, Lee Ritenour, fügt sich ohne Starallüren in das Bandgefüge ein.

An den passenden Stellen lässt er jedoch mit seinem flüssigen Slide-Spiel ein Raunen durchs Publikum gehen. Ritenour produziert unter anderem mit Fender-Verstärker und Gibson Les Paul einen angezerrt bluesigen Sound, der jede Frage erübrigt, warum der coole Mann aus Los Angeles bereits mit jeder Musiklegende dieses Planeten auf über 3000 Alben zusammengespielt hat: Von Frank Sinatra über Barbara Streisand, Pink Floyd bis hin zu Dizzy Gillespie.

Doch auch die Mitmusiker können mit soviel Lorbeer mithalten: Der Mitgründer des "Hang"-Projekts, Dave Grusin, hat für Filmklassiker wie "Die Reifeprüfung" und "Die fabelhaften Baker Boys" die Filmmusik geschrieben und einen Oscar gewonnen.

So großartig der Auftritt auch war — einigen Zuschauern wurde es schlicht zu spät. Nach und nach leerte sich die Halle, schließlich war Mitternacht mittlerweile bereits vorbei, mehr als fünf Stunden Musik lag hinter dem altersmäßig gut gemischten Publikum. Dennoch harrten genug Unverzagte aus, um für eine den Musikern angemessene Stimmung zu sorgen.

Ein rundum gelungener Abend, der den Besuchern noch lange in Erinnerung bleiben wird.

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