Leverkusen Jecke Party statt närrisches Brauchtum? Darf es etwas mehr sein?

Leverkusen · Ballermann-Atmosphäre beim Komitee Opladener Karneval und Knatsch mit Büttenredner Jens Singer. Eine Zwischenbilanz in der Session.

 Jens Singer, der Schliebescher Jeck mit Kölner Ausbildung, zeigte gestern bei den Altstadtfunken seine Klasse als politischer Büttenredner.

Jens Singer, der Schliebescher Jeck mit Kölner Ausbildung, zeigte gestern bei den Altstadtfunken seine Klasse als politischer Büttenredner.

Foto: Schütz

Neukirchen Wer Partystimmung sucht, Ballermann-Atmosphäre und fetzige Musik, der kann heutzutage durchaus auf eine scheinbar traditionelle Karnevalsparty gehen. Etwa auf die Sitzung des Komitees Opladener Karneval (KOK). Diese Gesellschaft ist bisher nicht gerade für revolutionäre Änderungen in Sachen Brauchtum bekannt, aber das sehr närrische KOK-Team passt sich in einigen Bereichen dem Zeitgeist an und der fordert: mehr Party statt allzu althergebrachtem Karnevalsgedöns.

Diese Gratwanderung zwischen Bewahren des Brauchtums und Einfangen jüngerer Karnevalsfans ist in den Leverkusener Karnevalsgesellschaften durchaus zu erkennen. Es gibt neue Formen des närrischen Feierns, weg von der reinen Saalveranstaltung mit Elferrat, hin zu einer Mischung aus Tradition und eben Party machen.

Dies stößt manchen Sitzungsbesucher vor den Kopf. Das geht schon bei der Lautstärke los, mit der die Bands und Musikkapellen ihre Töne in den Saal deuen. Da fragt sich der Kollege Tinnitus manchmal durchaus, ob er die Hörschäden alleine schafft oder er doch Kumpels zur Verstärkung rufen muss. So gaben etwa bei der KOK-Sitzung am Freitag einige Gäste, vor allem Ehrengäste, vorzeitig auf und verließen die Sitzung weit vor Veranstaltungsende. Tatsächlich wirkte das Lautstärkeniveau zu hoch für den Saal der Stadthalle Bergisch Neukirchen.

Das derzeit scheinbar heftige Aufeinandertreffen von "Party" und "Brauchtum" trifft auch die offenbar aussterbende Gattung der Büttenredner ziemlich hart. Auf der Komiteesitzung kam es hinter den Kulissen zu einem Eklat zwischen dem KOK-Literaten Manfred Luxem und Redner Dr. Jens Singer. Der Leverkusener Büttenredner verließ deshalb ohne Auftritt die Sitzung.

"Ich bin stinksauer", sagte Singer unserem Redakteur vor Ort, auch gestern war der Frust bei Singer weiter stark zu spüren. Das KOK habe für seinen Auftritt so gut wie alles falsch gemacht. Es gehe einfach nicht, dass ein politischer Büttenredner, wie er es sei, fast am Ende der Sitzung platziert werde. Da höre doch keiner mehr zu, besonders wenn der Alkoholpegel gestiegen sei. Und wenn dann noch eine Rockband vor ihm auftrete und die Besucher in Ballermann-Laune bringe, dann sei es für einen Redner fast unmöglich, das nötige Gehör für feinsinnige Witze zu bekommen. Literat Luxem sah dies anders. Singer habe gewusst, dass er nicht am Sitzungsanfang dran sei. Und ohnehin: "Da muss er durch", meinte Luxem. Singer, der ohne Honorar auftreten wollte, zeigte sich jedenfalls "stinksauer". Er betonte: "In Köln würde so etwas nie passieren."

Seine Wut postete Singer auf seiner Facebookseite und bekam Unterstützung von Kölner Karnevalsfreunden. Einer sagte uns aber auch: "Singer verhält sich unprofessionell." Die Welt der Büttenredner ist im rheinischen Karneval nicht mehr in Ordnung, ist zu spüren.

Gestern zeigte Dr. Jens Singer seine Rednerklasse beim Frühschoppen der Altstadtfunken. Die Rede hatte hohes Niveau. Da ist den KOK-Gästen einiges entgangen.

(RP)
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