Leverkusen Jeckes Wochenende - Alaaf fast im Minutentakt

Leverkusen · Die Session ist kurz, das Programm der Jecken in diesem Jahr dichter gedrängt als je zuvor. Doch eine närrische Rundreise am Wochenende zeigte: Der Stimmung tut das keinen Abbruch.

 Die Altstadtfunken Monheim beim Biwak der Hetdörper Mädche un Junge.

Die Altstadtfunken Monheim beim Biwak der Hetdörper Mädche un Junge.

Foto: Miserius, Uwe

In der großen Wagenhalle von Bernd Brinkschulte gaben sich am Samstagvormittag zahlreiche gekrönte Häupter quasi die Klinke in die Hand. Prinz Angie I., Jungfrau Sandra und Bauer Rainer, das amtierende Dreigestirn der KG "Hetdörper Mädche un Junge" (HMJ) hielt Hof beim so genannten "Biwak". Zwar steht das Wort französischer Herkunft ursprünglich für "Feldlager". Doch alle Hitdorfer Dreigestirne nutzen dieses Fest traditionell, um sich bei Helfern, Freunden und Sponsoren zu bedanken. Bald nach der offiziellen Eröffnung durch die Tanzgarde "Ströppcher" präsentierte Franz Bauer - der ehemalige "Rötzjer"-Sänger - das aktuelle Mottolied "Hetdörp is d'r Hit, alle Jecke fiere met". Die HMJ-Tanzgarde und Husaren reihten sich später zwischen den rund 600 geladenen Gästen ein, zu denen unter anderem das Festkomitee Langenfelder Karneval, das Dreigestirn von Thalia Blau-Weiß Delhoven aus Dormagen mit Prinz Andy I., Bauer Stephan und Jungfrau Mandy, eine Abordnung der Langeler Dorfgemeinschaft und die Altstadtfunken Monheim gehörten.

Die 40 Mitglieder der HMJ-Fährgarde und ihr Kommandanten Manfred Roggenbuck konnten nicht erst ganz zum Schluss auftreten, weil sie vorher anpacken mussten. Wie immer in der Vergangenheit hatte das Dreigestirn die Veranstaltung organisiert, anschließend übernahm die Fährgarde den Rest. Bereits am Vorabend hatten sie die Halle ausgeräumt und gesäubert, dazu Tische und Bänke aufgestellt. Zwei Stunden vor Beginn schmierten sie insgesamt 1200 Brötchenhälften und belegten sie mit 30 Kilo Mett, Salami sowie Käse.

Während des Festes zapften sie rund 800 Liter Bier und gaben nebenbei etliche Liter alkoholfreie Getränke wie Cola oder Limonade aus. Als die Veranstaltung sieben Stunden später ausklang, erhielten die Helfer zur Stärkung noch eine Gulaschsuppe.

"Wir liegen perfekt im Zeitplan", berichtete zweiter Vorsitzender Martin Woutenar zwischenzeitlich und ehe das Dreigestirn den Stimmungssänger Manfred Herrig als Überraschungsgast präsentierte, der sich mit traditionellen Liedern von Willi Ostermann oder Karl Berbür sowie neuen Titeln von Bläck Fööss, Höhner und Co. schnell in die Herzen sang und die ohnehin schon tolle Stimmung weiter in die Höhe trieb. Seit 25 Jahren steht der Mann nun schon als "Kölsche Schlabberbotz" und obendrein ohne Gage auf den Bühnen von Köln und Umgebung. Wie bereits gesagt, tanzte die Fährgarde zum Schluss. Und war am nächsten Tag erneut zur Stelle, um alles wieder in Ordnung zu bringen.

Etwa zeitgleich standen hunderte jecke Wiever in der Stadthalle Bergisch Neukirchen und ließen sich durch den Opladener Sänger Wilfried Breuer mit Stimmungs- und Schunkelliedern auf die fünfte Jahreszeit einstimmen. Die erste Mädchensitzung des Jahres war zugleich eine Premiere für die Stadtgarde Opladen.

Am Eingang bekam jede Frau einen glitzernden Leuchtstab geschenkt. Dazu passten die farbenfrohen Kostüme vieler Besucherinnen, von denen einige gleich gekleidet waren.

Die Gruppe im Silke Rubert aus Opladen hatte beispielsweise sechs Kostüme in Herzform selbst geschneidert. "Wir erwarten viel Spaß und ein schönes Zusammensein", sagte Liesel Steinkühler voller Vorfreude. Nichts anderes erhofften die Frauen, die mit Miss-Schärpen ihres jeweiligen Herkunftsortes erschienen waren. Ihre Gruppe werde aber nicht nur bei der Stadtgarde zu Gast sein, verriet Brigitte Kamm, die als "Miss Opladen" gekommen war, sondern auch bei weiteren Sitzungen. "Wir kriegen von Karneval nicht genug", beschrieb sie lachend.

Kurz danach betraten Präsident Thomas Lingenauber und zwei andere Herren die Bühne. Aber nicht etwa in Stadtgarde-Uniform. Sondern als Putzfrauen verkleidet. Sie taten ganz überrascht, als sie den Saal voller gut gelaunter Mädels entdeckten. "Das sieht nach Karneval aus", resümierten sie kurz und verteilten passend zum Evergreen "Ich will keine Schokolade" (Trude Herr) kleine Schokoladestückchen aus Putzeimern. Frau Kühne - eine schlagfertige Rednerin, die nicht nur die Männerwelt sondern auch den Rest der Welt auf´s Korn nahm - war der erste Programmpunkt des Tages, ehe weitere Künstler wie Bernd Stelter, Fussich Julche, Rabaue, 3 Colonias, Rabaue oder Boore folgten, um nur einige zu nennen.

Die Idee, eine Mädchensitzung zu veranstalten, stammte ursprünglich von Literat Walter Kern. Wie groß der Anklang war, zeigte sich auch daran, dass es kurz nach Vorverkaufsbeginn schon keine Karten mehr gab. Kern: "Viele von den Frauen, die bei anderen Vereinen keine Karten bekommen oder dort auf der Warteliste stehen, sind jetzt bei uns." Eine Wiederholung sei auf jeden Fall geplant, das Programm für 2019 stehe bereits.

Der Eintritt kostet dann allerdings 28, statt 25 Euro. "Wir haben zum Beispiel auch die 'Räuber' zu Gast", rechtfertigte Kern die Preiserhöhung. Geht es nach ihm, dann wird das Angebot ohnehin zur festen Einrichtung. "Für unseren Verein bedeutet es ein gutes Renommee", erläuterte der Literat.

Während die Frauen in Bergisch Neukirchen schon kräftig feierten, wartete Prinz Matze I. beim Neujahrskommers der Karnevalsfreunde Manfort noch in Zivil auf seinen Auftritt - den dritten in dieser Session. Gemeinsam mit seinen Freunden von der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) Sankt Josef war er ins neue Jahr gestartet. "Sie sagen, man merke, dass der KJG-Charme jetzt in die Säle schwappe", beschrieb der junge Prinz Karneval seine Wirkung. Mit seinem Einsatz für den traditionellen Karneval löst der 25-Jährige aber nicht einen verstärkten Zulauf junger Leute auf die Sitzungen aus. Sondern auch sein Verein - die Karnevalsfreunde Manfort - freut sich im Jahr des 88-jährigen Bestehens auf größeren Zulauf. Gestern haben gleich sechs Interessenten - unter ihnen auch Lucas Melzig, Kreisvorsitzender der Jungen Union Leverkusen und Rüdiger Probst, Bruder des Prinzen - einen Aufnahmeantrag gestellt. "Der Prinz zieht", stellte Vorsitzender Peter Stumpf erfreut fest. Aktuell sind insgesamt 100 aktive und inaktive Mitglieder einschließlich Senat angemeldet. Mehr als die Hälfte war der Einladung in den Manforter Hof gefolgt, so dass es im Saal insgesamt recht eng war, als man gemeinsam in die heiße Phase des Karnevals startete und der "Kölsche Köbes" (Axel Höfel) dort seine Typenrede hielt.

Zwei Jubilare galt es an diesem Tag zu ehren: Seit 33 Jahren ist Klaus-Dieter Möller Vereinsmitglied, seit 25 Jahren ist zweiter Vorsitzender Gerhard Schmidt dabei. Schmidt und Stumpf sind die Adjutanten des Prinzen - auch das ein Novum laut Uwe Krause, Präsident des Festausschuss Leverkusener Karneval (FLK).

"Abgesehen von Matzes' Einfluss ernten wir jetzt, was wir in den Vorjahren mit guten Sitzungen und anspruchsvollem Programm gesät haben", bemerkte Pressewart Friedrich Wilhelm Hagenberg. Tatsächlich müsse man ein ähnliches Angebot in der Stadt suchen, ergänzte Literat Jörg Haacke, man sei sehr gut aufgestellt. Das gelte auch für die Damensitzung 2019. Damit alle Frauen die gleichen Chancen auf Karten haben, beginnt der Vorverkauf am 15. Januar.

Insgesamt läuft bei den Manfortern also alles rund. Das Bühnenbild ist - passend zum Motto "Die Geister, die ich rief" - fast fertig. Das gilt ebenso für den Bau des Wagens. Apropos Wagen: Einen Rückschlag musste die Gesellschaft doch hinnehmen. Stumpf: "Zum 31. März müssen wir die rund 175 Quadratmeter große Werkstatt verlassen, die wir seit mindestens 50 Jahren nutzen." Allerdings stehen die Chancen gut, dass man bald eine neue "Ideen-Schmiede" bekomme.

(RP)
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