Leverkusen Jesus und Judas als starke Typen mit viel Gefühl

Leverkusen · Passend zur Fasten- und Osterzeit präsentierte das Theater Koblenz mit der Rockoper "Jesus Christ Superstar" ein fulminantes Stück voll von musikalischen Höhepunkten und eindrucksvollen Darstellern mit starken Stimmen im Forum Leverkusen. Ein fast perfekter Musical-Abend. Fast deshalb, weil die Akustik im ersten Akt zu viele Höhen hatte und somit die stimmgewaltigen Darsteller nicht so zur Geltung kamen. Das bemerkten auch viele Gäste. In der Pause beschrieb ein älteres Pärchen sehr gut die Stimmung im Publikum. "Ich habe leider nicht so viel verstanden. Der Ton war so seltsam", sagte sie, und er erwiderte: "Ich verstehe sowieso kein Englisch, deshalb ist mir das egal. Hauptsache, es ist schön anzusehen."

Auch die Techniker erkannten das Problem und besserten nach, wie Chefdramaturgin Juliane Wulfgramm des Koblenzer Theaters in der Pause bestätigte: "Das Orchester ist jetzt etwas leiser und die Stimmen kräftiger.". Das sollte sich tatsächlich so stark bemerkbar machen, dass am Ende der fast ausverkaufte Saal den Darstellern mit minutenlangem stehenden Ovationen dankte. Eine Besucherin resümierte, dass das Stück sogar besser war als eine Broadway-Aufführung, die sie in England gesehen hätte. Besonders erwähnenswert ist das Solo-Stück von Jesus-Darsteller Marcel Hoffmann, der Jesu Schicksalshadern und Bitten nach Erbarmen vor Gott zum Gänsehautmoment machte. Stark.

Zum Stück selbst gibt es nicht viel Neues zu erzählen, da es in der Musical-Szene weltbekannt ist. 1971 wurde es von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice uraufgeführt und fast hätte man das Stück auch Judas Iscariot Superstar (herrlich gespielt von Christof Maria Kaiser) nennen können, denn die letzten sieben Tage Jesu werden hier aus der Perspektive des abtrünnigen Judas in modernster Weise erzählt. Generell wirkt das Stück nicht wie eine biblische Nacherzählung. Das soll auch so sein. Da ist im Hintergrund Jesus sehr anstößig intim mit Maria Magdalena, Judas verrät ihn mit einem längeren Kuss frontal auf den Mund - und Herodes Antipas als urkomischer metrosexueller Transvestit beweist die Kreativität dieses Stückes. Dass Judas nach seinem Selbstmord die einzige Person ist, die wieder von den "Toten" zurückkehrt und Jesus zuruft, er wäre besser dran gewesen, hätte er einen Plan gehabt, passt wie die Faust aufs Auge.

Ein weiteres, fast zufälliges Element, das das Theater Koblenz einführte: Eine Live-Aufnahme an der Leinwand. "Wir spielen momentan auf der Festung Ehrenbreitstein. Da hing damals noch eine riesige Leinwand von der Fußball Weltmeisterschaft. Die haben wir dann integriert. In Zeiten von Smartphones und Selfies war das ein passendes Element, um die Geschichte authentisch in der Gegenwart zu erzählen", erklärte Chefdramaturgin Wulfgramm. Da sah man im Hintergrund durch die Live-Kamera die Schauspieler noch intensiver, aber auch das Publikum wurde eingespielt. So gelang es dem Theater Koblenz, bei der biblischen Oster-Geschichte den Blick auf den Menschen Jesu zu werfen.

Die menschlichen Gefühle und Gedanken standen im Mittelpunkt. Dennoch ließen sie viel Platz für Imagination und Interpretation. So endete das Stück auch abrupt nach der Kreuzigung Jesu - ohne Auferstehung, die für Christen elementar ist.

(hawk)
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