Leverkusen Junger Rheindorfer als Islamist in Syrien

Leverkusen · Mehrere Videos und Nachrichten auf Facebook und YouTube lassen vermuten, dass der junge Mann aus Perspektivlosigkeit den Weg eines "Gotteskriegers" gewählt hat. Seine Mutter will sich öffentlich nicht äußern.

In der türkischen Moschee am Kiesweg in Küppersteg ließ sich der Rheindorfer allein im Gebetsraum fotografieren. Er postete das Bild später im Internet bei Facebook.

In der türkischen Moschee am Kiesweg in Küppersteg ließ sich der Rheindorfer allein im Gebetsraum fotografieren. Er postete das Bild später im Internet bei Facebook.

Foto: schweig

Nachrichten über die Untaten der IS-Kämpfer, die uns täglich aus dem Irak und Syrien erreichen, sind erschütternd. Noch erschütternder wird es, führt man sich vor Augen, dass sich Männer aus unserer Mitte dazu entschließen, den Weg eines "Gotteskriegers" einzuschlagen. Auch ein Rheindorfer scheint dies getan zu haben: In sozialen Netzwerken wie Facebook oder YouTube postete der junge Mann viele Monate öffentlich Nachrichten aus Syrien, in denen er Kampfhandlungen zeigt oder dazu aufruft, sich dem Kampf für das "Kalifat" anzuschließen.

Ältere Videos des jungen Mannes lassen den Schluss zu, dass Perspektivlosigkeit den jungen Rheindorfer auf die schiefe Bahn brachte. Er präsentiert sich in den Filmen als Gangster-Rapper, posiert in aggressiver Haltung mit Pistolen, Geldbündeln und Kampfhunden. Anfang 2011 tauchen in seinem YouTube-Kanal plötzlich sogenannte "Likes" für muslimische Gebete in arabischer Sprache auf. Etwa zur gleichen Zeit ist der junge Mann mit italienischen Wurzeln offenbar bereits zum Islam konvertiert. Die Konversion ist telefonisch vonstattengegangen und ebenfalls auf einem Video festgehalten.

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Mit dem Kölner Ibrahim Abou-Nagie ist es der Mann, der 2012 mit der kostenlosen Verteilung des Koran in deutschen Städten auf sich aufmerksam macht, der ihm in dem Telefongespräch das Glaubensbekenntnis auf Arabisch vorspricht. Das Video wird weiterhin genutzt, um weitere Menschen für die Konversion zu werben. Gegen Abou-Nagie ermittelt die Staatsanwaltschaft inzwischen wegen Volksverhetzung und Sozialbetrugs. Auf die Frage, wo er beten könne, rät Abou-Nagie ihm, er könne ihn in Köln besuchen - das sagt dem Rheindorfer, der in dem Gespräch angibt, 20 Jahre zu sein, sofort zu: "Ich habe immer Zeit!"

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Foto: dpa, joh kno kde

Auf seiner Facebook-Seite postet er später Nachrichten, die ein festgefügtes islamistisches Weltbild nahelegen. Im Sommer 2013, man konnte es anhand seiner Einträge in dem sozialen Netzwerk problemlos nachvollziehen, reist er dann offenbar über die Türkei nach Syrien. Er rasiert sich zuvor seinen Bart, um nicht als Extremist aufzufallen. Fortan schickt er Videos, auf denen er mit einer Kalaschnikow Schießübungen macht oder sich unmittelbar in Kampfhandlungen befindet und mit jedem Schuss Allah preist. Überhaupt fehlt ein Gewehr bei seinen Videos nicht mehr. In den Aufnahmen erklärt er, den Zeigefinger meist mahnend erhoben, dass seine Glaubensbrüder ihm und den anderen Kämpfern in den Krieg folgen sollten.

Die Facebook-Seite ist inzwischen geschlossen - es ist unsicher, ob er selbst oder Facebook die Seite entfernte. Zuletzt hatte er dort über 1700 Freunde, die meisten offenkundig radikalisierte Islamisten wie er. Aber auch alte Bekannte aus Leverkusen konnte man dort finden. Die Frage drängt sich auf: Verfolgten sie die dramatische Wandlung ihres Bekannten - oder ignorierten sie sie?

Unter seinen Facebook-Freunden ist auch seine Mutter, offenbar rat- und hilflos: Als er bereits in Syrien ist, fragt sie in einem öffentlich einsehbaren Kommentar auf der Facebook-Seite, ob ihr jemand Nachricht von ihrem Sohn geben könne, sie habe seit Tagen nichts von ihm gehört. Viele antworten ihr, machen salafistische Verführer für den Irrweg ihres Sohnes verantwortlich. Später antwortet er selbst: "Es ist auch für uns schwer, alles aufzugeben aber wir machen es, weil wir selbst es gerne gewollt hätten, wenn man uns helfen würde in solch einer Situation."

Unter seinem arabischen Kampfnamen führt er nun eine neue Facebook-Seite, auf der er nur wenige "Freunde" hat, unter anderem wieder seine Mutter. Sie möchte sich zu ihrem Sohn aber nicht öffentlich äußern: Sie wisse auch nichts, erklärt sie auf Anfrage entschuldigend. Inzwischen sind die Internetaktivitäten ihres Sohnes rarer geworden, es existieren aber weiterhin Seiten von ihm bei YouTube und Twitter. Die Staatsanwaltschaft erklärt auf Anfrage, dass man den Mann kenne. Wegen "laufender Ermittlungen" sage man nichts. Seine Ausreise konnten sie nicht verhindern. Nun könnte die Frage aufkommen, ob man ihn wieder wird einreisen lasse, sollte er sich dazu entschließen.

In Leverkusener Moscheen ist man geschockt: Bei der türkischen Moschee am Kiesweg in Küppersteg, wo sich der Rheindorfer allein im Gebetsraum fotografieren ließ und das Foto bei Facebook postete, möchte man mit Islamisten keinesfalls in einen Topf geworfen werden: "Wir erkennen diese Leute, an ihren Bärten und ihrer Kleidung", erklärt man dort. Aber man könne auch niemanden nur aufgrund des Aussehens aus der Moschee verbannen. Dieser Fall verändere nun aber alles: "Wir müssen besser aufpassen und diese Leute ansprechen", sagt man dort nun. Dazu werde man sich sicherlich auch den Rat und die Unterstützung des einflussreichen türkischen Dachverbandes Ditib einholen. Denn mulmig sei es auch ihnen im Umgang mit diesen Extremisten.

(RP)
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