Leverkusen Karneval im künstlerischen Blick der Fotografen

Leverkusen · Der Titel "Elf Uhr Elf" sagt jedem Rheinländer, worum es in der Wochenend-Ausstellung beim Kunstverein Leverkusen geht. Und er sagt es auch nicht. Es sind nämlich nicht die Aufnahmen prachtvoller Mottowagen, die man in der Berichterstattung über Karneval sieht. Neun Kölner Fotografen haben sich mit den Ereignissen in der fünften Jahreszeit beschäftigt, die Idee dazu hatte der Westfale in der Gruppe. Nicht zu Dokumentationszwecken, sondern mit dem künstlerischen Blick auf das Geschehen, der alle Facetten des Ausnahmezustandes zeigt. Sowohl die farbenfrohe, glitzernde Fröhlichkeit, vor allem aber die traurig-tristen Begleiterscheinungen.

Etwa Aufnahmen von Karnevalisten in Pfleger- oder Arztkostüm und daneben sterile Gänge von Krankenhäusern, in denen man mit einzelnen Luftballons oder Luftschlangen die jahreszeitlich gebotene Lustigkeit zu erzeugen versuchte. Tatsächlich handelt es sich um den Bereich, in dem die Alkohol-Opfer der jecken Tage eingeliefert werden. Ein schwarz-weißes Riesenformat will so gar nicht in die fröhliche Farbigkeit passen. Hier sind, wie in kleineren Rahmen die baulichen Begleiterscheinungen zu sehen: provisorische hölzerne Absperrwände, die schützenswerte Architektur und Glasscheiben verbergen.

Schwarzweiß ist auch der Blick auf die Bützchen-Kultur, die an den sowjetischen Bruderkuss erinnert. Wie kurzlebig und vergänglich der Karnevalsrausch ist, zeigt eine inszenierte Fotoserie mit einzelnen Maskierten. Völlig deplatziert wirkt der Sitzungspräsident mit Kette und Orden auf einem Sportplatz und mit Hockeyschläger in der Hand. Oder der kaiserliche Beamte mit Pickelhaube im Tiefgaragenambiente. Geradezu anrührend ein tadellos eingekleideter, aber nicht fröhlicher Nachwuchs-Funk, der an historische Bilder von einsamen königlichen Infanten erinnert, denen man die Kindheit raubte. Die Fotografen spürten witzige Situationen auf, erkannten oft nur kurze Augenblicke und nutzen sie für nachdenkliche Anspielungen. In Köln hat die Kunsthistorikerin Maria Linsmann diese Bilder in einer Ausstellung entdeckt, die, wie sie fand, einen größeren Rahmen verdiente. Den vermittelte die einstige Museumskuratorin, die später das Bilderbuchmuseum Burg Wissem übernahm, durch ihren Kontakt zum Kunstverein. Der zeigt "Elf Uhr Elf" im der Reihe "open space", die je nur ein Wochenende dauert. Heute, 13. Januar, wird um 19.30 Uhr mit Einführung und Live-Musik der Band Kwaggawerk eröffnet. Die Schau ist Samstag und Sonntag in der Galerie des Kunstvereins in den Schloss-Remisen, Gustav-Heinemann-Str. 80, 11 bis 17 Uhr geöffnet.

(mkl)
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