Wiesdorf Prinz Heinz im Kamellerausch

Leverkusen · Die vielkehlig vorgetragene Tagesparole ließ Leverkusens Prinz Karneval zufrieden in die Runde schauen. Doch mit bloßem Betrachten hielt sich Heinz VII. (Haase) beim Wiesdorfer Zoch nicht groß auf.

"Ävver jeck sin mer all" in Wiesdorf
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"Kamelle", verlangte die jecke Gefolgschaft von ihrem Prinzen. Der ließ sich nicht bitten und gab reichlich. Eins, zwei, drei, vier, fünf — in schneller Folge landeten Schachteln mit Leckereien auf der rechten Straßenseite. Eins, zwei, drei, vier, fünf — nicht weniger flink flogen vis-à-vis die Schokoladentafeln. Zwei tiefe Griffe in die Süßigkeiten und schon regnete es Bonbons — wieder gleichmäßig verteilt einmal nach rechts und einmal nach links.

Während die insgesamt rund 35.000 bunt kostümierten Jecken am Wegesrand den strahlenden Heinz VII. für seine bereits bei der "Lachenden Fußgängerzone" angekündigte Großzügigkeit feierten, wäre dem seine Begeisterung für die Versorgung der Kamelle-Freunde beinahe zum Verhängnis geworden. Doch Prinzenführer Karl Goller sah das Unheil in Form eines in den Weg hängenden Astes kommen. Er nahm der fast wie im Rausch werfenden Tollität flugs dessen Kopfbedeckung ab und ermahnte ihn, sich etwas zu ducken. Sonst hätte das (im wahren Sinne des Wortes) ins Auge gehen können.

Heiratsantrag beim Zug in Holzhausen
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Das Motto "Ävver jeck sin mir all" griffen die Roten Funken gleich doppelt auf. "Mer sin alles rute Fünkcher — ejal, wo mer herkumme" bekannte das Kindertanzcorps. Und die jecke Frauengruppe der KG ließ abwechselnd den jecken Teufel im Himmel und einen ebenso jecken Engel in der Hölle auftauchen. Die Kostüme waren dazu passend eine Kombination aus beiden Figuren. Aufgeschlossen gaben sich auch die Jecken Wiesdorfer, die sich für ihren Auftritt aus Rio de Janeiro nicht nur den Zuckerhut und die berühmte Jesusstatue vom Corcovado ausborgten, sondern auch "Samba brasil en Wiesdorf am Rhing" feierten, stilecht im passenden Gewand und mit einer echten Sambatänzerin vorneweg.

Lokale Themen waren diesmal Mangelware. Allenfalls die "Jecken Lotterbovereien" der Karnevalsfreunde Manfort konnten mit etwas Fantasie als Anspielung auf die Probleme um die Leverkusener Autobahnbrücke verstanden werden, sägten doch die Strolche Max und Moritz in Höhe des Leverkusener Ortsschildes, ritsch ratsch, an einer zwischen Köln und Düsseldorf gelegenen Brücke, damit ein anrollender Laster mit Altbier diese nicht passieren kann. Und die Hochhaus-Kulisse der (nicht ganz hundert und einem) Dalmatiner von Rhingdörp Alaaf ließ sich auch als Anlehnung an den Norden des Stadtteil interpretieren.

Groß war die Vielfalt nicht nur im Zoch selbst, wo sich niedliche Mini-Fliegenpilze, verwegene Freibeuter und allerhand weiteres buntes Volk tummelten, sondern insbesondere am Wegesrand. Dort wurde das Motto mit Leben gefüllt, feierte doch in bunt-kostümierter Gemeinschaft ein ebenso bunt zusammengewürfeltes Narrenvolk. Manch einer war sogar eigens aus dem Ausland angereist wie der kleine Neffe eines Leverkuseners mit türkischen Wurzeln oder der Mann aus dem Elsass, der beim jecken "Staatsbesuch" kurz vor vor dem Start des Zochs Prinz Heinz VII. seine Aufwartung machte.

Erfreuliches konnte die Einsatzleitung der Polizei melden. Denn während bei manch anderen Zügen Vandalismus und Körperverletzungen zu beklagen waren, konnten die Beamten — während es ansonsten "sehr, sehr ruhig" war — ihre Konzentration auf eine Mission lenken, die ihnen sehr am Herzen lag: die Suche nach den Eltern eines Kindes, das im jecken Getümmel gefunden worden war.

(irz)
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