Leverkusen "Kultur der Toleranz" in maurischen Gesängen in Bielertkirche vermittelt

Leverkusen · Die maurische Musik ist fremd und ein wenig exotisch. Nicht nur, weil es sich um ganz alte Überlieferungen aus dem 13. Jahrhundert handelt, auch wegen des leicht arabisch anmutenden Melodie- und Gesangsstils, der wenig mit dem zu tun hat, was heute als südspanische Folklore bekannt ist. Nach den ersten Höreindrücken in der Opladener Bielertkirche erklärte Vladimir Ivanoff, Musikwissenschaftler und Leiter des Ensemble Sarband, wie diese Musik entstand: nämlich aus einer "Kultur der Toleranz", der das sechsköpfige und international besetzte Ensemble mit Stimme und alten Instrumenten wie Psalter, Rohrflöte, Schoßfidel oder Gotischer Harfe nachspürt.

An den arabischen Höfen von Córdoba und Granada dichteten und musizierten jüdische, christliche und muslimische Künstler im 11. und 12. Jahrhundert gemeinsam. Aus der Mischung verschiedener Traditionen entstand etwas Neues als Beitrag zu einer Hochkultur. Aber so ganz klappte es auch in jenen Zeiten nicht mit der Toleranz der Kulturen und Religionen. Zeitgleich zogen Kreuzzüge, mit dem Schwert "missionierend", durchs Land. Davon erzählen Texte, wie in dem Lied aus Frankreich, in dem sich eine junge Frau um den geliebten Ritter ängstigt.

Ausdrucksvoll sangen Sopranistin Miriam Andersén und Altistin Faida el-Hage, die eine in Schweden, die andere im Libanon geboren, im Wechsel und gemeinsam Lieder, die Geschichten von Liebe und Leid vermitteln und die sparsam vom Instrumentarium begleitet wurden. Manchmal unterstützte nur ein rhythmisches Grundmuster die Emotionen der Singstimme. So auch die alte spanische Romanze "Una tarde de verano", die Ivanoff den ältesten "Make Love not War"-Song nennt. Andererseits erklangen religiöse Lieder, wie ein Kyrie und eine Marienhymne, die in christlichen Klöstern gesungen wurden, aber genauso deutlich die Einflüsse der Sefarden (der spanischen Juden) erkennen lassen.

Im zweiten Teil des Gastspiels in der KulturStadtLev-Reihe "Grenzgänger" wechselte das Ensemble Sarband vom westlichen zum östlichen Mittelmeer, von Andalusien zum Osmanischen Reich. Spanien verlor mit den vertriebenen Juden (Sefarden) die Hälfte der eigenen Künstler und Wissenschaftler. Ivanoff erklärte, wie eng die musikalische Entwicklung mit der historischen zusammenhing. Im aufsteigenden Osmanischen Reich waren sie willkommen und trugen hier zu kultureller Größe bei.

Mit dem zeitlichen und geografischen Wechsel erlebten die Zuhörer eine sprachliche und musikalische Veränderung. Die melodischen Verzierungen etwa weitete Bariton Mustafa Dogan Dikmen zu langen, sich auf einem Vokal windenden Schleifen aus. Ein ungewöhnlicher und lehrreicher Abend.

(mkl)
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