Leverkusen Lebenshilfe: Jetzt liegen zwei Strafanzeigen vor

Leverkusen · Nach dem vom Fernsehsender RTL aufgedeckten Skandal in der Lebenshilfe-Werkstatt in Bürrig liegen der Kölner Staatsanwaltschaft mittlerweile zwei Strafanzeigen vor.

Team Wallraff: RTL deckt Missstände in Lebenshilfe-Einrichtungen auf
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Misshandlungsvorwürfe gegen Lebenshilfe

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Foto: RTL

"Eine von der Lebenshilfe-Geschäftsführung und eine von den Eltern der jungen Frau, die im Film zu sehen ist", berichtet Staatsanwalt Ulrich Bremer. Zurzeit richteten sich die Ermittlungen gegen die zwei bereits freigestellten Mitarbeiter, die dabei gefilmt wurden, wie sie die behinderte junge Frau schikanieren. Möglicherweise werde aber auch gegen weitere Mitarbeiter ermittelt. "Wir werten zurzeit die Strafanzeigen aus."

Die Leverkusener Lebenshilfe hilft nach eigenen Angaben bei der Aufklärung mit, will sich angesichts des laufenden Verfahrens aber nicht zu möglichen weiteren Beschuldigten äußern. Das Unternehmen hat am Montag eine anonyme Beschwerde-Hotline für alle behinderten und nicht behinderten Mitarbeiter sowie deren Angehörigen geschaltet. Dazu hatte unter anderem der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (BVKM) geraten. In ihm ist die Lebenshilfe des Rheinisch-Bergischen Kreises, die Mitgesellschafter der Leverkusener Behinderten-Werkstätten ist, Mitglied.

Auch eine Wertschätzungsoffensive und bessere Weiterbildungsmöglichkeiten für die Betreuer von Schwerstbehinderten hält der BVKM mit Sitz in Düsseldorf, in dem sich deutschlandweit rund 270 Vereine - vor allem Elternorganisationen und Fachleute - zusammengeschlossen haben, für dringend nötig. Denn mangelnde Wertschätzung von Kollegen könne durchaus dazu führen, dass die Betreuer ihrerseits nicht wertschätzend mit hilfebedürftigen Menschen umgehen. "Es geht bei den Aufnahmen gar nicht um gute oder schlechte Arbeit mit Behinderten", sagt Geschäftsführer Norbert Müller-Fehling. "Es handelt sich grundsätzlich um einen respektlosen Umgang mit Menschen. Das ist das Schockierende."

Die Leverkusener Lebenshilfe hat nach eigenen Angaben einen externen Gutachter eingeschaltet, der die Abläufe und die Arbeit der Behinderteneinrichtung untersuchen soll. "Wenn sich dabei herausstellen sollte, dass es mehr Weiterbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter geben soll, werden wir uns dem nicht verschließen", kündigt Frank Stein, Vorsitzender des Lebenshilfe-Aufsichtsrates, an.

Von einer Aufsicht ähnlich einer Heimaufsicht für die Behindertenwerkstätten - wie von einigen vorgeschlagen - hält Müller-Fehling dagegen nicht viel. "Man könnte über eine staatliche Institution nachdenken", sagt er. "Ich erwarte davon aber keinen großen Effekt." Eine Aufsichtsbehörde kontrolliere meist hauptsächlich die vorgelegten Unterlagen. "Zusätzliches Dokumentieren hilft mit Sicherheit nicht, solche Fälle, wie im Film zu sehen, zu vermeiden."

(sug)
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