Leverkusen Ärzte sollen Patienten zum Sex-Leben befragen

Leverkusen · Der Leiter der Aids-Ambulanz im Klinikum Leverkusen rät allen Ärzten, ihre Patienten nach ihren sexuellen Aktivitäten zu befragen. Prof. Stefan Reuter beobachtet, dass Geschlechtskrankheiten wie Syphilis sowie Aids wieder zunehmen.

 Gegen Aids gibt es Medikamente, wie Prof. Stefan Reuter von der HIV-Ambulanz im Leverkusener Klinikum demonstriert. Das mache aber sorglos und fördere die Zunahme von Aids und Syphilis, warnt der Facharzt.

Gegen Aids gibt es Medikamente, wie Prof. Stefan Reuter von der HIV-Ambulanz im Leverkusener Klinikum demonstriert. Das mache aber sorglos und fördere die Zunahme von Aids und Syphilis, warnt der Facharzt.

Foto: Uwe Miserius

Geschlechtskrankheiten wie Syphilis, die als ausgerottet galten, kehren wieder zurück: "Die Fallzahlen steigen stetig", berichtet Prof. Stefan Reuter. Er ist Chefarzt der allgemeinen internistischen Klinik am Klinikum Leverkusen und hat dort vor zweieinhalb Jahren eine HIV-Ambulanz aufgebaut. Spezialisiert auf Geschlechtskrankheiten wie Aids ist diese Ambulanz, verbunden mit der Gynäkologie und der Kindermedizin im Hause, mittlerweile auch für HIV-infizierte Mütter zu einem überregionalen Zentrum geworden.

Die Rückkehr und Zunahme von Geschlechtskrankheiten, inklusive des wieder anwachsenden Kreises von Aids-Erkrankungen, besorgt den Fachmediziner und veranlasst ihn zu der Forderung: "Jeder Arzt, egal ob Hausarzt oder Facharzt, sollte bei seinen Patienten eine Sexualanamnese durchführen."

Es sei zwar eine Herausforderung für den Arzt, seine Patienten über ihre sexuellen Aktivitäten zu befragen: "Das muss geübt werden, damit nicht eine blutjunge Ärztin plötzlich rot wird, wenn sie einen gestandenen Mann nach seinem Sexleben befragt", räumt Stefan Reuter ein. Er halte aber eine generelle Sexualanamnese für absolut notwendig, damit alle Ärzte bestimmte Symptome auf Geschlechtskrankheiten hin ein- und zuordnen könnten.

Denn es habe sich eine fatale Sorglosigkeit breitgemacht, klagt der Mediziner. Tatsächlich sei die Lebenserwartung für HIV-Infizierte und Aids-Erkrankte heute wegen der medizinischen Therapiemöglichkeiten nur unwesentlich kürzer als bei Nichterkrankten. Und Geschlechtskrankheiten, wie Syphilis, seien gar nicht mehr im öffentlichen Bewusstsein. "All das trägt dazu bei, dass durch alle Altersgruppen und Schichten Sorglosigkeit und Kondommüdigkeit eingetreten sind", berichtet der Chefarzt. Es komme immer öfter vor, dass auch 70-Jährige mit einer Aids-Diagnose in seine Sprechstunde kämen: "Heute sind viele Männer mit 70 noch sexuell aktiv. Manche haben sich schon vor zehn oder mehr Jahren angesteckt, aber merken die Symptome erst jetzt. Und in der Zwischenzeit waren sie eine ansteckende Zeitbombe." Ältere heterosexuelle Männer und auch Schwangere geraten laut Reuter immer mehr in den Fokus bei den HIV-Diagnosen: "Denn es ist leider längst nicht so, dass alle Schwangeren auch den eigentlich vorgeschriebnen Aids-Test bekommen", beklagt der Klinikleiter.

Seine Botschaft, die er auch regelmäßig bei Aufklärungsveranstaltungen für Schüler verkündet: "Jeder sollte, egal in welchem Alter, bei einem sexuellen Erstkontakt immer ein Kondom verwenden. Und Männer sowie Frauen sollten beide immer Kondome dabei haben", appelliert der Mediziner. Habe sich eine Partnerschaft gefestigt, sehe dies anders aus, aber: "Ein Aids-Test ist anonym und einfach bei den Gesundheitsämtern möglich." Denn die Dunkelziffer bei HIV-Infizierten und neuerdings auch wieder bei den "alten" Geschlechtskrankheiten sei groß: "Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass jeder fünfte bis achte Infizierte in Deutschland noch nicht diagnostiziert ist." Die offiziellen Zahlen von aktuell etwa 80 000 HIV-Infizierten in Deutschland und 18 000 in Nordrhein-Westfalen spiegelten deshalb nur einen Bruchteil der erkrankten wider. Reuter: "Ein Drittel der Patienten fallen immer noch nach dem Zufallsprinzip auf."

(RP)
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