Stephan Grünewald Leverkusen könnte Nabel der Welt sein

Leverkusen · Der Psychologe, Bestsellerautor und Geschäftsführer des renommierten Kölner Markt- und Medienforschungs-Instituts "rheingold", Stephan Grünewald, sieht in einer Olympia-Bewerbung der Rhein-Ruhr-Region riesiges Potenzial, die Stadt nach vorne zu bringen.

 Für Grünewald hat Leverkusen großes Potenzial.

Für Grünewald hat Leverkusen großes Potenzial.

Foto: Jurga_Graf

Herr Grünewald, ich könnte jetzt einfach fragen, was eine Olympiabewerbung für Leverkusen alles Positives bewirken kann. Nun sind Sie aber jemand, der in seinen Marktanalysen vor allem die unbewussten seelischen Einflussfaktoren und Sinnzusammenhänge, die das Handeln der Menschen mitbestimmen, berücksichtigt. Ich fürchte also, eine einfache Antwort gibt es nicht?

Grünewald Doch, man kann es durchaus einfach auf den Punkt bringen: Olympia kann enorm viel bewirken - wenn das Selbstbild der Region dazu passt. Das beste Beispiel ist die Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2004 nach Griechenland. Die Griechen hatten sich von ihrem Selbstverständnis her als "Wiege der Olympischen Spiele" sogar darüber aufgeregt, dass sie nicht schon zum Millennium im Jahr 2000 bedacht worden waren. Als sie dann den Zuschlag für 2004 bekamen, war es für sie selbstverständlich, dass die Spiele ,nach Hause' kommen. Diese Aufbruchsstimmung kann viel bewirken.

Nun geht es aber um Leverkusen, das eventuell 2032 als Austragungsort für die olympischen Fußballwettbewerbe infrage kommen könnte. Es gibt noch keine offizielle Bewerbung, nur die Idee der Landesregierung. Dennoch wird schon jetzt die Öffentlichkeit gesucht. Ist das klug?

Grünewald Die Menschen von Anfang an mitzunehmen, ist erst einmal kein Nachteil. Wer die Nachricht früh kommuniziert, bestimmt auch die Richtung. Und da ist eindeutig der Wunsch zu erkennen, die Leute in der Region davon zu überzeugen, wie einzigartig es sein kann, Gastgeber für Sportler und Fans aus allen Nationen zu sein. Was passieren kann, wenn der Fokus in der Öffentlichkeit negativ gesetzt wird, etwa mit der Kostenfrage oder möglichen Sicherheitsrisiken, haben wir beispielsweise in Hamburg gesehen, wo die Bürger in einem Referendum eine Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024 abgelehnt haben.

Im kommenden Jahr werden die deutschen Wintersportler in China mit neuem Namen und neuem Logo auf der Brust in die 23. Olympischen Winterspiele starten: "Team Deutschland". Bei der Präsentation hieß es: "Der Fokus liegt auf dem D in den Nationalfarben, dessen Geradlinigkeit die klare Positionierung für fairen und sauberen Sport symbolisiert, das durch seine fließenden, runden Formen aber auch Dynamik, Sympathie, Emotionalität und Freude am Sport ausdrückt." Sie waren an der Entwicklung beteiligt. Wie ist die Idee entstanden, wofür steht sie?

Grünewald Im vergangenen Jahr haben wir sportbegeisterte Menschen und zahlreiche Athleten ausführlich befragt: Sommer- und Wintersportler, erfahrene Olympiateilnehmer und Nachwuchsleute, Mannschafts- und Einzelsportler. Wir wollten verstehen, was Olympia und die deutsche Olympia-Mannschaft den Sportlern und Menschen bedeutet. "Team Deutschland" und das neue Logo sollen eine Identifikationsbasis auch über die Olympischen Spiele hinaus schaffen, die Leidenschaft, Teamplay, Fairness und Erfolg miteinander verbinden.

Wäre so ein positiver Emotions-Schub auch für Leverkusen möglich?

Grünewald Natürlich. Deutschland insgesamt hat keine klare Identität. Dennoch hat die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gezeigt, dass die Menschen nahezu überall an den Austragungsorten es geschafft haben, gute Gastgeber zu sein, fröhlich zu feiern und doch stolz auf ihre Mannschaft sein zu dürfen. Das war gewissermaßen eine nationale Lockerungsübung. Wenn Leverkusen es schafft, ebenfalls diese Gastgeber-Rolle anzunehmen und sich auf die Wettbewerbe zu freuen - sich also für ein paar Wochen wie der Nabel der Welt zu fühlen - kann das eine dauerhafte Verlebendigung für die gesamte Region zur Folge haben.

PETER CLEMENT FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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