Leverkusen Menschenraub-Prozess: Zeugen haben große Erinnerungslücken

Leverkusen · Die immer wieder auffallend großen Erinnerungslücken der Zeugen im Prozess gegen fünf junge Männer, denen erpresserischer Menschenraub vorgeworfen wird, machen den Prozess vor dem Kölner Landgericht zu einer ermüdenden Angelegenheit. Zumindest beschleicht den Zuschauer das Gefühl, dass da vielleicht "nachgeholfen" wurde: Wurden Zeugen womöglich eingeschüchtert?

Gestern wurde der Schwiegervater des Opfers vernommen, das von den fünf Männern im September 2014 nicht nur von zu Hause "abgeholt" wurde, sondern auch mit Schlägen und Tritten lebensgefährlich verletzt wurde. Nicht nachvollziehbar waren die Angaben des Schwiegervaters von der Fahrt mit seiner Tochter ins Krankenhaus, um den Verletzten zu besuchen (nur die Tochter war im Krankenzimmer) - anschließend wurde angeblich darüber so gut wie nicht gesprochen. "Das sind Dinge, in die mische ich mich nicht ein", war fast eine Standardantwort.

Am Tag nach der Tat waren drei der Angeklagten vor dem Haus des Opfers (in dem auch der Schwiegervater wohnt) aufgetaucht. Als sie einen Polizeiwagen sahen, waren sie ganz schnell wieder verschwunden. Die Polizei hatte das Haus in Quettingen seinerzeit unter Beobachtung. Ein Zeuge ist gestern gar nicht erst erschienen. Das Gericht hatte zwar eine polizeiliche Vorführung angeordnet, doch die Beamten fanden den Vorgeladenen nicht.

Wie schwer es allerdings auch ist, mit einer "Lücke im Lebenslauf" wieder Anschluss an ein halbwegs normales Leben zu finden, hatte zuvor der Bewährungshelfer am Beispiel des Hauptangeklagten dargelegt. Der Proband musste zwar den Rest seiner acht Jahre und sechs Monate langen Freiheitsstrafe wegen eines Tötungsdeliktes ab 2012 nicht mehr absitzen, aber die Bewährung war für den fünffachen Familienvater verbunden mit strengen Auflagen. Er musste sich regelmäßig mit seinem Bewährungshelfer treffen und wurde fortlaufend auf möglichen Alkohol- und Drogen-Konsum überprüft. "Die Tests waren alle negativ", berichtet der Sozialarbeiter. "Er war also auf einem guten Weg." Er hatte sich sogar um Arbeit bemüht. Doch die Lücke im Lebenslauf, also die Jahres Im Gefängnis, waren möglichen Arbeitsgebern dann doch zu verdächtig.

Die Strafe im Verfahren wegen Totschlags aus dem Jahr 2006 fiel recht glimpflich aus, weil er die unter starkem Alkoholeinfluss verübt hatte. Rückfällig wurde der "trockene Alkoholiker" wohl, als ihn ein Nierenstein quälte und seine Frau ihm das Trinken von viel Bier als Therapie empfahl. Auch bei der ihm vor dem Kölner Landgericht vorgeworfenen Straftat war prompt wieder Alkohol im Spiel.

(sg-)
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