Leverkusen Mit 15 geflohen, mit 23 in Opladen Fuß gefasst

Leverkusen · Der heute 23-jährige Husein Atat hat es geschafft, sich zu integrieren. Er schildert seinen oft harten Weg, bei dem ihm aber das Berufskolleg Opladen geholfen hat. Er will anderen Flüchtlingen Mut machen.

 Der 23-jährige Husein Atat ist aus dem Libanon geflohen und hat sich in Opladen eine neue Zukunft aufgebaut.

Der 23-jährige Husein Atat ist aus dem Libanon geflohen und hat sich in Opladen eine neue Zukunft aufgebaut.

Foto: Uwe Miserius

In seiner Heimat Libanon hat er Freunde sterben sehen. Husein Atat hatte keine Zukunft dort, wo er aufgewachsen ist, wo ein Krieg von innen und außen das Leben zur Gefahr machte. Er ist 15 Jahre jung, als er mit seiner Mutter und der achtjährigen Schwester vom Vater in die Hände eines Schleusers gegeben wird. Nach Kanada oder Australien soll es gehen, denn Husein spricht gut Englisch, hat er doch soeben die achte Klasse eines arabisch-englischen Gymnasiums im Libanon erfolgreich absolviert. In Deutschland schließlich gelandet, nimmt der Schleuser Mutter und Kindern die Papiere und ihr letztes Geld ab, macht sich davon, lässt sie in der Fremde zurück: "Das war schlimm", erinnert sich der heute 23-Jährige.

Doch Husein wird ganz schnell erwachsen: "Ich war auf einmal der Familienvorstand. Ich hatte die Verantwortung für meine Mutter und meine Schwester", sagt er. Der Traum von Kanada oder Australien bleibt ein Traum, Deutschland wird Wirklichkeit - die Flüchtlingsunterkunft mit allen möglichen Nationen auf engem Raum. Darüber spricht Husein nicht gerne: "Gut, dass es vorbei ist. Wir haben inzwischen eine eigene Wohnung. Und ich bin ein Deutscher", sagt er stolz. Denn in drei Monaten sind seine ersten acht Jahre in der neuen Heimat um, dann bekommt er den deutschen Pass. "Ich träume in Deutsch, hier habe ich Wurzeln geschlagen", sagt der 23-jährige, der für seine gelungene Integration aber auch viel getan hat.

Die internationale Klasse der Theodor-Wuppermann-Hauptschule und des Berufskollegs Opladen haben ihm dabei geholfen. Mittlerweile macht er eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und besucht "sein" Berufskolleg erneut. Husein erinnert sich: "Ich bin im Libanon immer gut in Englisch gewesen, wir hatten vier Fächer auf unserem Gymnasium in Englisch. Dann musste ich die erste Englischarbeit in Opladen schreiben und bekam eine Sechs, weil ich kein Deutsch und deshalb auch den englischen Text nicht übersetzen konnte", erzählt er. Doch Husein ließ sich nicht entmutigen: "Ich hab' dann noch mehr Gas gegeben", berichtet er. Gas zu geben, das ist sein Ding auch im Sport, durch den er viele Menschen kennengelernt und sich in der Fremde immer mehr ein neues Leben aufgebaut hat. Der junge Mann betreibt Tanz- und Kampfsport und tritt mit einer brasilianischen Capoeira-Gruppe aus Leverkusen, den "Filhos Da Bahia", auf.

Und da erlebt Husein Atat immer mal wieder, dass nach seinen Tanzdarbietungen ihm mindestens ein Leverkusener sagt: "So wie Sie können eben nur Brasilianer tanzen", erzählt der Libanese mit bald deutschem Pass lachend. In den Libanon ist er in den vergangenen acht Jahren kein einziges Mal zurückgekehrt, auch wenn sich die politische Lage zumindest in einigen Städten wieder etwas beruhigt hat. "Mich zieht da nichts hin, hier ist meine Zukunft", sagt er.

Dennoch hat der 23-Jährige seine Wurzeln nicht vergessen und auch seine Muttersprache Arabisch nicht. So konnte er wichtige, ehrenamtliche Dienste leisten, als das St. Remigius-Krankenhaus in Opladen ein verletztes Mädchen aus dem Gaza-Streifen für eine Operation und eine längere Genesungszeit aufnahm. Da war Husein Atat der Einzige, der auf Arabisch dolmetschen und dem verschreckten Mädchen in der Fremde Mut zusprechen konnte. Denn er konnte aus eigenem Schicksal hachvollziehen, wie sie sich in der Fremde fühlte.

(RP)
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