Leverkusen Mit der Orgel unterwegs im Grenzland des Jazz'

Leverkusen · In Organistenkreisen gilt Johannes Matthias Michel längst als Instanz für Jazz im Kirchenraum. In der KulturStadtLev-Reihe Orgelforum begeisterte der Kirchenmusikdirektor aus Mannheim und Professor für künstlerisches Orgelspiel, Dirigieren und Ensembleleitung am Sonntag das Publikum in der Bielertkirche. Vor allem mit seinen eigenen Werken, in denen er Trennungslinien zwischen den Stilen mit großem Vergnügen ignoriert. Sein ganz besonderes Interesse gilt diesen Grenzen, die er nach allen Regeln der Kunst erforscht.

Und dann stellt er beispielsweise fest, dass es manchmal doch nur einzelne Töne sind, die man weglassen oder hinzufügen muss, um von der Harmonik der Romantik in den Jazz zu springen. So erklärte der Gastorganist vorab seine 2003 entstandene "Suite jazzique", deren Titel nicht zufällig an die berühmte "Suite gothique" des Franzosen Léon Boëllmann erinnert. Wie dieser schrieb auch Michel ein "Prière" als verhaltenes, meditatives Gebet sowie ein Menuett und eine rhythmisch reizvolle Toccata zum Abschluss. Nur changiert seine fünfsätzige Komposition lustvoll zwischen französischer Orgelromantik und Jazz. Ein königliches Vergnügen, das die Zuhörer mit kräftigem Zwischenapplaus würdigten.

Etwas anders vollzog er die Verknüpfung einer barocken Suite mit dem Jazz mit einer vergleichsweise klaren Schnittstelle zwischen den Stilen. Eine typische Allemande überführte er bruchlos in Swing, ein kleiner Ausfallschritt und aus der Courante wird klar ein Tango und die langsam schreitende Sarabande führt unweigerlich in den Blues. Als Kirchenmusiker benutzt Michel das evangelische Gesangbuch in gleicher Weise als Inspirationsquelle. Er versteckt Choralmelodien im Bossa Nova oder Afro-Cuban seiner drei Jazz-Preludes und krönte sein Konzert im Lutherjahr mit einer ausladenden Fantasie über das Reformationslied "Ein feste Burg ist unser Gott". Spätestens an dieser Stelle lohnte sich die Video-Übertragung vom Spieltisch, die den Interpreten bei sportlicher Fußarbeit zeigte.

Michel ist ein Vielschreiber, der zahlreiche Chor-, Orgel-, Bläser- und sinfonische Werke komponierte - alle im Grenzland des Jazz. Christian Heinrich Rinck, der es zwar nicht zu ganz großem Ruhm, aber zu einer schicken Villa geschafft hat, sei Vorbild für seinen Fleiß, erzählte er in der Bielertkirche schmunzelnd. Nun säßen seine Verleger in ihren Villen und er müsse arbeiten. Zum Glück für die Zuhörer, denen er zu seinen eigenen Werken kleinere, unbekannte aber dennoch lohnenswerte Stücke aus der Zeit der Wiener Klassik von Rinck und dessen weitgehend vergessenen Kollegen präsentierte.

(mkl)
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